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Das Pete Buch 01 - Die Lausbuben von Somerset

Das Pete Buch 01 - Die Lausbuben von Somerset

Titel: Das Pete Buch 01 - Die Lausbuben von Somerset
Autoren: Rolf Randall
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Erstes Kapitel
    DER BUND DER GERECHTEN
    In Somerset geht ein Gespenst um, eine Tür wird zugemauert und Watson will seinen Hut essen ...
    Es ist eine Minute nach Mitternacht. Die Bewohner von Somerset schlafen längst den Schlaf des mehr oder weniger Gerechten. Einsam wacht nur das Auge des Gesetzes.
    Das Auge des Gesetzes ist schläfrig. Es steht auf einem Bein vor dem Denkmal George Washingtons und kratzt sich mit der rechten Stiefelspitze die linke Wade, woraus ersichtlich ist, daß es sich bei dem besagten Auge um einen Menschen handelt. Genauer gesagt: um einen höchst verdrossenen Mann. Noch genauer: um den Sheriffsgehilfen John Watson.
    John Watson ist verdrossen, weil dies einerseits so seine Art ist. Insbesondere aber, weil der behäbige Besitzer der Kneipe „Zum Silberdollar" um punkt Null Uhr westamerikanischer Zeit die Fensterläden dicht gemacht und damit dem Gesetz Genüge getan hat. Das Gesetz von Arizona verlangt, daß Wirtshäuser punkt Mitternacht — nämlich zur sogenannten „Polizeistunde" — zu schließen haben.
    Würde der dicke Mister Turner nur eine Minute nach Mitternacht die Fensterläden dicht gemacht haben, so hätte das Auge des Gesetzes Anstoß nehmen — so hätte

    der Sheriffsgehilfe John Watson einschreiten können — so hätte sich Mister Turner verpflichtet gefühlt, dem Sheriffsgehilfen John Watson ein Glas Whisky zu spendieren, auf daß das Auge des Gesetzes nichts gesehen hätte.
    Ja, hätte--.
    Es gehört seit jeher zu Watsons besonderen Eigenschaften, sich zu ärgern, wo es eigentlich nichts zum Ärgern gibt. Jetzt ärgert er sich darüber, daß die Kneipe „Zum Silberdollar" pünktlich geschlossen hat. Der dicke Mister Turner sitzt nun da, zählt seine Silberdollars und lacht sich ins Fäustchen, dieser Geizhals, nur weil er es fertig gebracht hat, das Auge des Gesetzes um einen Whisky zu betrügen.
    Watson kratzt sich mit der linken Hand hinter dem rechten Ohr. Er gähnt verdrossen und beschließt, nachdem er abermals gegähnt hat, seinen Rundgang fortzusetzen. Eine geschlagene Minute lang verbringt er mit der erhebenden Vorstellung, wie der Denkmalssockel sich wohl ausnehmen würde, wenn man George Washington herab nehmen und den Sheriffsgehilfen John Watson hinauf stellen würde. Etwa mit der eingemeißelten und vergoldeten Inschrift:
    JOHN WATSON Sheriffsgehilfe von Somerset geboren am ...
    Dem unermüdlichen Streiter für Recht und Ordnung in dankbarer Verehrung gewidmet.
    Das Sterbedatum konnte man später hinzufügen. Nachdem John Watson zum County-Sheriff aufgerückt und längst in die Geschichte Arizonas eingegangen war.
    Der Gedanke an seine Karriere hat Watson so weit ermuntert, daß ihm der Gummibaum einfällt, der gestern eingegangen ist. Zwar nicht in die Geschichte Arizonas, sondern vielmehr in dem Garten hinter Watsons Haus. Der Gummibaum war sein ganzer Stolz. Er hatte ihn eigenhändig gepflanzt, gehegt und gepflegt. Böse Zungen behaupteten, Watson habe beabsichtigt, den Gummibaum durch Weiterzüchtung so weit zu bringen, daß auf ihm fertige Autoreifen wachsen würden — was eine glatte Übertreibung ist; denn Automobile sind in Somerset um diese Zeit noch seltene Sehenswürdigkeiten, beziehungsweise sehenswürdige Seltenheiten, was auf dasselbe hinauskommt.
    Watson also zu verdächtigen, fortschrittlich zu denken, war eine Gemeinheit — eine Respektlosigkeit sondergleichen — kurz und gut: eine Majestätsbeleidigung!
    Bei Nacht und Mondenschein jedoch Watsons Gummibaum mitsamt den Wurzeln auszugraben, ihn umzudrehen und solchermaßen wieder einzugraben, daß nun die kahlen Wurzeln in die Luft ragten — während das Laubwerk im Gartenboden vergraben lag — das war ein Staatsverbrechen. Ein unerhörtes Vergehen, nur zu vergleichen mit der Untat des gewissen Thomas Allan, des Negers, der eine Bombe gegen den Gouverneur von Arizona schmiß, welcher daraufhin gehenkt wurde. Der Neger, nicht der Gouverneur.

    Aber Watson weiß, was er weiß. Das ist zwar erschütternd wenig, wenn man hierunter seinen Bildungsgrad verstehen wollte — jedoch völlig ausreichend, so denkt er wenigstens, um den Gummibaum-Mörder der entsetzlichen Untat zu überführen, ihn hart aber gerecht zu bestrafen: „Du Bengel, was hast du dir eigentlich dabei gedacht?! Hier hast du eine Ohrfeige! Und hier! Und noch eine — autsch!"
    Watson hat in Gedanken ausgeholt und dem Verandapfosten vor Orwells Haus, wo sonst die Pferde angebunden stehen, eine Ohrfeige versetzt. In dem
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