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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte Dr. Schumann laut. »Benimm dich wie ein Kavalier. Eine Dame betritt unsere Villa.«
    »Mir kommt das alles komisch vor.« Ariela setzte sich auf einen der beiden Klappstühle, die neben den Tischen standen. Sie hatte wieder ihre Kampfuniform an, die mit einer dicken Schicht Staub überzogen war. Schumann erinnerte sich an das Geknatter des Motorrades und sah Ariela bewundernd an.
    »Sie fahren als Donnermaxe durch die Wüste?« fragte er. »Ariela, Sie machen es einem Mann leicht, Komplexe zu bekommen.«
    »Wir sind in allem ausgebildet.« Sie beugte sich über eine Retorte und schnupperte wie ein Hündchen. »Was ist das?«
    »Wenn Sie länger so süß schnuppern, können Sie die Ruhr bekommen.«
    »Sie kommen sich wohl sehr klug und männlich vor, nicht wahr, Herr Doktor?« Sie betonte das ›Herr‹ besonders, aber mit einem provozierenden Unterton. »Ich habe bei meinem Vater nachgefragt. Auch er weiß nicht, was Sie ausgerechnet jetzt im Negev und gerade hier an der heißen Grenze wollen. Sie hatten einen Brief aus Jerusalem, aber der war ziemlich allgemein im Inhalt.«
    »Vielleicht ist es eine geheime Kommandosache?«
    »Quatsch!« Ariela streckte die schönen Beine von sich. Dr. Schumann ahnte, daß sie schön waren. Die Khakihose verhüllte sie. »Sie stellen bakteriologische Untersuchungen an. Aber warum nicht im Kibbuz? Warum müssen Sie da in die Wüste?«
    »Ihr Interesse an meiner Person beschämt mich.« Dr. Schumann setzte sich neben Ariela auf den zweiten Klappstuhl. »Ich will Sie aufklären. Im Alter von drei Jahren hatte ich die Wasserpocken und –«
    Mit einem Ruck sprang Ariela Golan auf. Sie warf den Stuhl dabei um, und weil er ihr Schienbein traf, trat sie dagegen und schleuderte ihn gegen das Bett. Joppa, das Äffchen, kreischte und turnte unter das Bett.
    »Sie Ekel!« schrie sie. »Sie aufgeblasener Dummkopf!« Sie setzte ihr Käppi auf und wollte das Zelt verlassen. Aber am Eingang hielt sie jemand von hinten fest. Wütend drehte sie sich um, um Dr. Schumann auf die Hand zu schlagen; aber da war keine Hand, sondern Schumann hielt sie mit dem gebogenen Griff eines Spazierstockes fest, den er in den Bund ihrer Uniformhose gehakt hatte. Er selbst saß noch auf seinem Klappstuhl und lachte jungenhaft.
    »Oh! Man müßte Sie …«, schrie Ariela. Sie sah herrlich aus. Sprachlos vor soviel ungebändigtem Temperament starrte Dr. Schumann sie an.
    Sie riß den Stockgriff aus ihrem Hosenbund und ballte die Fäuste. Aber sie ging nicht hinaus, sie blieb im Zelt.
    »So kann sich nur ein Deutscher benehmen«, sagte sie gepreßt.
    Das Lächeln wich aus dem Gesicht des Arztes. Plötzlich sah er ernst und fremd aus.
    »Das sollten Sie nie sagen, Ariela«, sagte er leise in die Stille hinein. »So etwas ist wie eine sich nie schließende Wunde. Ich weiß als Arzt, wieviel Kraft aus einer ständig offenen Wunde fließen kann … und Kraft ist doch das, was wir hier alle brauchen …«
    Ariela senkte den schmalen Kopf. Sie nahm das Käppi ab und drückte es zwischen ihren Händen zusammen. »Verzeihen Sie«, sagte sie gepreßt. »Wie … wie kann ich Ihnen anders sagen, daß ich Sie verabscheue? Ihre widerliche Männlichkeit …«
    »Ich stelle mich zur Verfügung für die ureigenste Form weiblicher Verteidigung: Ohrfeigen Sie mich.« Er trat nahe an sie heran. »Bitte, Ariela … bedienen Sie sich …«
    Einen Augenblick sahen sie sich an mit großen, fragenden Augen. Und nichts war in diesen Augen von Haß oder Wut, Abscheu oder Gegenwehr. Die Sonne lag in ihrem Blick, die Weite der Wüste, das Blau des Himmels, die roten Felsen des Negev, die staubbedeckten Büsche der Tamarisken, die schmalen Wadis, in denen im Winter das kärgliche Wasser rinnt … eine ganze Welt, ihre Welt lag vor ihnen und das Wissen, daß morgen alles zu Ende gehen konnte in Granaten, Bomben und Blut.
    Langsam hob Ariela beide Arme und legte sie um den Nacken Dr. Schumanns. Er tat es ihr gleich, legte seine Hände auf ihre Schultern und zog sie an sich. Sie sprachen nicht dabei.
    Dann küßten sie sich … zuerst scheu, wie eine Frage: Willst du, Peter … willst du, Ariela … dann fester, inniger, den anderen an sich drückend, sich verschmelzend in diesem Kuß und den Sand mitküssend, der auf ihren Lippen lag.
    Es war der 3. Juni 1967. Mittags gegen zwei Uhr.
    Jenseits von Nitsana, in der Wüste Sinai, marschierten die ägyptischen Panzer auf.
    Treibt die Israelis in das Meer …
    Mea Shearim, das Stadtviertel
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