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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fast ohne Möbel. Ein großer Teppich, sechs Sitzkissen und ein flaches Tischchen waren alles, was den Wohnraum wohnlich machte. Die Wände, mit Lehm beworfen, waren weiß gekalkt. Der Fußboden bestand aus roten Ziegeln. Hier lebte er, ein bescheidener Mann. Wer wußte, daß er nördlich von Amman eine Villa in einem Park besaß, mit Springbrunnen und einem Serail, in dem zwanzig Frauen warteten, daß der Herr sie besuchte?
    Mahmud ibn Sharat hatte gerade ein Täßchen süßen Kaffee getrunken, als er Schritte hörte. Höflich stand er auf und verbeugte sich, als eine junge Frau eintrat, europäisch gekleidet, das schwarze Haar kurz geschnitten wie die Frauen aus dem Norden. Sie war schlank und mittelgroß, ihr Gesicht von jener Feinheit und Zartheit, die orientalische Frauen der oberen Kreise auszeichnet. Wohlgefällig ließ Mahmud seine Blicke über ihre Gestalt gleiten. Er war ein Frauenkenner, und immer, wenn er Narriman sah, ertappte er sich bei dem Gedanken, daß keine seiner zwanzig Frauen in Amman so schön war wie sie.
    »Er ist also weg?« Die Stimme der Frau war kalt und befehlend. Mahmud nickte und verbeugte sich wieder.
    »Salam«, sagte er höflich. »Sie sehen verführerisch aus, Narriman.«
    »Die Lage ist ernst. In zwei, drei Tagen werden wir Krieg haben! Unsere Freunde marschieren an allen Grenzen auf. Die Flugzeuge sind aufgetankt, um die Luft zu erobern. In einer Woche existiert Israel nicht mehr. Und Sie lassen ihn weggehen …«
    »Was sollte ich machen? Sollte ich ihn stehlen?« Mahmud hob beide Hände wie ein Bettler. »Ich hatte den Auftrag, ihn nur zu beobachten.«
    »Sie wissen, worum es geht! Man hat Ihnen gesagt, was in den nächsten Tagen geschehen wird. Die ganze Welt wird auf den Heiligen Krieg der Araber blicken. Er soll mit anständigen Mitteln geführt werden, mit Feuer und Mut.« Die schöne Frau in dem modernen französischen Kostüm lächelte schwach. »Oder mit Mitteln, die niemand sieht …«
    Mahmud ihn Sharat setzte sich auf eins seiner ledernen Sitzkissen und holte eine Zigarettenschachtel aus der Tasche. »Man hat mir gesagt: kein Aufsehen. Genau das habe ich befolgt. Aber ich weiß, wo er jetzt ist.«
    »Nun sagen Sie es schon!« Eine kalte Stimme. Mahmud sah auf die geschminkten Lippen. Warum küssen sie nicht, warum müssen sie befehlen? dachte er traurig.
    »In Beersheba. Mein Freund Karim hat mich gerufen. Er ist von Beersheba weitergefahren in die Wüste in Richtung Revivim.«
    »Das ist merkwürdig.« Narriman setzte sich auch, nahm eine Zigarette von Mahmud und ließ sie sich anzünden. Sie sah dem Rauch nach, und ihre schönen dunklen Augen waren tief wie ein See … das fand Mahmud.
    Narriman war seit vier Jahren mit einem Deutschen verheiratet. Herbert Frank, ihr Mann, hatte vor fünf Jahren einen Vertrag mit Jordanien unterschrieben und war nach Amman ausgewandert. Dort arbeitete er jetzt an einem Institut, das sich ›Forschungsanstalt für Flugtechnik‹ nannte. Nur wenige wußten, daß sich hinter diesem Namen ein kleiner Stab von Spezialisten verbarg, die für Jordaniens König Hussein eine eigene Kurz- und Mittelstrecken-Rakete entwickeln sollten.
    »Machen Sie Jordanien zum stärksten Staat der arabischen Welt«, hatte König Hussein zu diesen Wissenschaftlern gesagt. Franzosen und Engländer waren darunter, sogar zwei Exilrussen. Und der Deutsche Herbert Frank. »Machen Sie uns so stark, daß wir Israel von der Weltkarte fegen können. Das Land am Meer ist unser Land!«
    »Woran denken Sie?« fragte Mahmud seufzend.
    »Ich sollte nach Beersheba fahren.«
    »Unmöglich!« Mahmud sprang auf. »Wenn es Krieg gibt, sind Sie mitten im Schlachtfeld.«
    »Das bin ich immer, wenn ich in Jerusalem wohne.« Narriman suchte einen Aschenbecher. Mahmud bückte sich, zog einen seiner Pantoffeln aus und reichte ihn hin. Sie zerdrückte die kaum angerauchte Zigarette auf der Innensohle. Der Geruch verbrannten Filzes durchzog das Zimmer. »Es gibt keine andere Möglichkeit als diese. Jeder Mann ist verdächtig … eine Frau nicht. Wer soll ihn herüberlocken zu uns? Sie etwa, Mahmud? Womit denn? Mit Ziegenfellen? Nein, das kann nur eine Frau.«
    »Eine so herrliche Frau wie Sie, Narriman.«
    »Doktor Schumann muß in Amman sein, bevor der Krieg ausbricht.« Narriman Frank wanderte auf dem großen Teppich hin und her, und Mahmud sah ihr mit gierigen Augen nach. Welch ein Weib, dachte er. Ein Raubtier hat keinen schöneren Gang. »Die israelische Armee ist stark. Ihre
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