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James Bond 14 - Octopussy (German Edition)

James Bond 14 - Octopussy (German Edition)

Titel: James Bond 14 - Octopussy (German Edition)
Autoren: Ian Fleming
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»Weißt du was?«, sagte Major Dexter Smythe zu dem Oktopus. »Du wirst heute einen richtigen Leckerbissen bekommen, wenn ich es arrangieren kann.«
    Er hatte laut gesprochen und sein Atem hatte das Glas der Pirelli-Tauchermaske beschlagen. Er stellte seinen Fuß auf den Sand neben der Koralle und richtete sich auf. Das Wasser ging ihm bis zu den Achseln. Er nahm die Maske ab, spuckte hinein, verrieb den Speichel auf dem Glas, spülte es sauber und zog das Gummiband der Maske wieder über seinen Kopf. Dann beugte er sich erneut nach unten.
    Das Auge in dem gefleckten braunen Sack beobachtete ihn nach wie vor vorsichtig aus dem Loch in der Koralle, doch nun wand sich die Spitze eines einzelnen kleinen Tentakels zögernd zwei oder drei Zentimeter weit aus den Schatten und tastete unsicher mit seinen obersten Saugnäpfen umher. Dexter Smythe lächelte zufrieden. Nach den zwei Monaten, die er nun schon damit verbracht hatte, sich mit dem Oktopus anzufreunden, würde es noch maximal einen weiteren Monat dauern, und dann würde er den kleinen Schatz endlich gezähmt haben. Aber diesen Monat hatte er nicht mehr. Sollte er es heute riskieren und dem Tentakel anstelle des erwarteten Stücks rohen Fleisches am Ende seines Speers seine Hand anbieten – dem Tier sozusagen die Hand schütteln? Nein, Pussy, dachte er. Ich kann dir noch nicht vollständig vertrauen. Zweifellos würden andere Tentakel aus dem Loch hervorschießen und nach seinem Arm greifen. Er musste nicht mehr als einen Meter tief nach unten gezogen werden, das Korkventil an seiner Maske würde sich automatisch schließen und er würde ersticken oder, wenn er sich die Maske vom Gesicht riss, ertrinken. Ihm mochte ein Glückstreffer mit seinem Speer gelingen, aber es würde mehr nötig sein, um Pussy zu töten. Nein. Vielleicht später. Es wäre so, als würde man russisches Roulette spielen, und die Gewinnchancen standen in etwa genauso schlecht. Es mochte eine schnelle, eine verrückte Möglichkeit sein, seinen Problemen zu entkommen. Aber nicht jetzt! Die interessanteste Frage würde unbeantwortet bleiben. Und er hatte es diesem netten Professor Bengry vom Institut versprochen. Dexter Smythe schwamm gemächlich in Richtung Riff. Seine Augen suchten nur nach einer einzigen Gestalt, der flachen bösartigen Keilform des Skorpionfischs, oder, wie Bengry ihn nannte,
Scorpaena plumieri
.
    Major Dexter Smythe, O.B.E. der Königlichen Marine im Ruhestand, war das, was übrig war von einem einst tapferen und erfindungsreichen Offizier und gut aussehenden Mann, der während seiner gesamten militärischen Laufbahn keinerlei Probleme damit gehabt hatte, sexuelle Eroberungen zu machen, besonders unter den Wrens und Wracs sowie den Mitarbeiterinnen des ATS, die die Kommunikationsstation und das Sekretariat eines sehr speziellen Einsatzkommandos bemannten, dem er gegen Ende seiner Karriere zugeteilt gewesen war. Nun war er vierundfünfzig, leicht kahlköpfig, und sein Bauch wölbte sich über die Jantzen-Badehose. Und er hatte zwei Herzinfarkte hinter sich. Sein Arzt, Jimmy Greaves (einer der Pokerspieler im Queen’s Club, als Dexter Smythe damals nach Jamaika gekommen war), hatte den zweiten, den er erst vor einem Monat erlitten hatte, halb scherzhaft als »zweite Warnung« bezeichnet. Aber in seiner sorgfältig ausgewählten Kleidung, die seine Krampfadern verbarg und seinen Bauch mithilfe eines diskreten Stützgürtels hinter einem tadellosen Kummerbund flach aussehen ließ, gab er auf Cocktailpartys oder bei Abendessen in North Shore immer noch ein beeindruckendes Bild von einem Mann ab. Für seine Freunde und Nachbarn war es ein Rätsel, warum er trotz der fünfzig Milliliter Whisky und zehn Zigaretten, die sein Arzt ihm pro Tag erlaubte, weiterhin darauf bestand, wie ein Schlot zu rauchen und jede Nacht betrunken, wenn auch liebenswürdig betrunken, zu Bett zu gehen.
    Die Wahrheit war, dass Dexter Smythe inzwischen einen Todeswunsch entwickelt hatte. Die Ursprünge dieser Gemütsverfassung waren zahlreich und nicht sonderlich komplex. Sie waren untrennbar mit Jamaika verbunden, und die tropische Trägheit hatte ihn nach und nach zermürbt. Nach außen hin wirkte er wie ein recht hartes und stabiles Stück Holz, doch unter der lackierten Oberfläche hatten die Termiten der Trägheit, der Genusssucht, der Schuld wegen einer alten Sünde sowie des allgemeinen Selbstekels seinen einst harten Kern zu Staub zerfressen. Seit Marys Tod vor zwei Jahren hatte er niemanden mehr
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