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James Bond 14 - Octopussy (German Edition)

James Bond 14 - Octopussy (German Edition)

Titel: James Bond 14 - Octopussy (German Edition)
Autoren: Ian Fleming
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geliebt. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sie wirklich geliebt hatte, aber er wusste, dass er ihre Liebe für ihn sowie ihre fröhliche, unordentliche, tadelnde und oftmals lästige Anwesenheit jede Stunde des Tages vermisste. Obwohl er ihre Kanapees aß und ihre Martinis trank, empfand er für dieses internationale Gesindel, in dessen Gesellschaft er sich in North Shore begab, lediglich Verachtung. Er hätte sich vielleicht mit den Soldaten, den Hobbyfarmern aus dem Inland oder den Plantagenbesitzern von der Küste, den Geschäftsmännern und den Politikern anfreunden können, aber das hätte bedeutet, seinem Leben einen neuen Sinn abzugewinnen, was seine Faulheit und geistige Trägheit verhinderten. Außerdem hätte er dafür weniger trinken müssen, wozu er eindeutig nicht bereit war. Also war Major Smythe gelangweilt, zu Tode gelangweilt, und er hätte schon vor langer Zeit eine Flasche Barbiturate geschluckt, die er problemlos von einem ansässigen Arzt erhalten hatte, wenn es da nicht diese eine Sache in seinem Leben gegeben hätte. Die Rettungsleine, die dafür sorgte, dass er sich weiterhin am Rand der Klippe festklammerte, war sehr dünn. Schwere Alkoholiker neigen zu einer Übertreibung ihrer Temperamente, die sich klassisch in vier Kategorien zusammenfassen lassen: sanguinisch, phlegmatisch, cholerisch und melancholisch. Der sanguinische Alkoholiker ist fröhlich bis zur Hysterie und zum Idiotismus. Der phlegmatische versinkt in einem Morast aus mürrischem Trübsinn. Der cholerische ist der kämpfende Alkoholiker des Karikaturenzeichners, der zu viel Zeit seines Lebens im Gefängnis verbringt, weil er Menschen und Gegenstände zerschlägt. Und der melancholische ergibt sich dem Selbstmitleid, der Gefühlsduselei und den Tränen. Major Smythe war ein Melancholiker, der in eine verklärte Fantasie abgerutscht war, die sich um die Vögel, Insekten und Fische drehte, die die zwanzigtausend Quadratmeter von Wavelets (der Name, den er seiner kleinen Villa gegeben hatte, war bezeichnend), den Strand und das dahinterliegende Korallenriff bewohnten. Die Fische waren seine besonderen Lieblinge. Er sah sie als Persönlichkeiten, und da Rifffische in etwa so territorial sind wie die meisten kleinen Vogelarten, kannte er sie nach zwei Jahren alle sehr genau, »liebte« sie und glaubte, dass sie ihn ebenfalls liebten.
    Sie kannten ihn zweifellos – so wie die Bewohner eines Zoos ihre Wärter kennen –, da er ihnen täglich Nahrung brachte. Er kratzte Algen ab und lockerte den Sand und die Steine für die Bodenbewohner auf. Er knackte die Panzer der Seeigel für die kleinen Fleischfresser und brachte für die größeren Fleischabfälle mit. Und nun, während er sich langsam und schwerfällig im Riff auf und ab bewegte und durch die Kanäle schwamm, die ins tiefe Wasser hinausführten, umschwärmten ihn seine »Nachbarn« furchtlos und erwartungsvoll, schnellten auf die Spitze seines dreizackigen Speers zu, den sie nur als verschwenderischen Löffel kannten, huschten ganz nah am Glas der Tauchermaske vorbei und knabberten im Fall der unerschrockenen, kampflustigen Demoisellen sogar an seinen Füßen und Beinen.
    Ein Teil von Major Smythes Verstand nahm all diese schillernd bunten kleinen »Persönlichkeiten« wahr, aber heute hatte er eine Aufgabe zu erledigen. Während er an ihnen vorbeischwamm, begrüßte er sie dennoch mit unausgesprochenen Worten – »Guten Morgen, Beau Gregory«, sagte er zu der dunkelblauen Demoiselle mit den hellblauen Flecken, dem »Juwelfisch«, der genau wie das Sternenmuster auf einem Flakon von »Vol de Nuit« aussah. »Tut mir leid. Heute nicht, Liebling«, erklärte er einem vorbeihuschenden Schmetterlingsfisch mit falschen schwarzen »Augen« auf dem Schwanz. Und zu einem indigofarbenen Papageifisch, der sicher gute viereinhalb Kilo wog, sagte er: »Du bist ohnehin zu fett, Blue Boy.« Seine Augen suchten nach einem bestimmten Mitglied seiner »Bekanntschaften« – seinem einzigen Feind im Riff, dem einzigen, den er sofort töten würde, wenn er ihn entdeckte: dem Skorpionfisch.
    Skorpionfische kommen in den meisten südlichen Gewässern der Welt vor, und der
rascasse
, der die Grundlage für eine
bouillabaisse
bildet, gehört zu dieser Familie. Die westindische Variante wird nur etwa dreißig Zentimeter lang und knapp ein halbes Kilo schwer. Es handelt sich um den mit Abstand hässlichsten Fisch im gesamten Meer, als ob die Natur eine Warnung aussprechen wollte. Er ist braungrau
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