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Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)

Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)

Titel: Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
Autoren: Michelle Willingham
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1. KAPITEL
    Bei der Wahl des Geflügels für eine Hühnersuppe sollte man sich für ein Tier mit weichen gelben Füßen, kräftigen kurzen Beinen und einer fetten Brust entscheiden. Vor der Zubereitung muss dem Huhn allerdings zunächst der Garaus gemacht werden …
    – aus dem Kochbuch der Emily Barrow –
    Falkirk House, England, 1850
    K ühle Hände strichen über seine Stirn, und Stephen Chesterfield kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an, in der er ein weiteres Mal zu versinken drohte. Mit brutaler Heftigkeit hämmerte der Schmerz in seinem Schädel. Sein Mund fühlte sich an wie mit Baumwolle ausgestopft, und alles tat ihm weh. Kurzum: Er war in einer scheußlichen Verfassung.
    „Trinken Sie!“, befahl eine Frauenstimme, und er spürte, wie eine Tasse mit heißem Tee an seine Lippen gehoben wurde. Obwohl die Flüssigkeit bitter schmeckte, schluckte er sie herunter.
    „Sie haben Glück, wissen Sie das?“, fuhr die Stimme fort.
    Glück? Ihm war, als hätte ihm jemand den Schädel in zwei Teile gespalten. Er hatte noch nicht einmal genügend Kraft, die Augen zu öffnen, um seine Pflegerin anzusehen.
    „Wie können Sie von Glück sprechen?“, stieß er flüsternd und nur unter größter Anstrengung hervor. Vermutlich hatte sie sagen wollen, dass er sich glücklich schätzen konnte, noch am Leben zu sein.
    „Sie haben Glück, dass ich kein Arsen in Ihren Tee getan habe“, erklärte sie trocken. „Ansonsten wären Sie jetzt tot.“ Ein warmer Wickel, der nach Kräutern duftete, wurde auf seine Stirn gelegt.
    „Wie bitte?“ Er krallte die Finger in die Bettdecke und zwang sich, die bleischweren Lider zu heben. Allerdings nahm er seine Umgebung nur wie durch wabernden Nebel wahr, als er herauszufinden versuchte, wo er sich befand und wer diese Frau war, die ihm offenbar nach dem Leben trachtete.
    Sie hatte das Antlitz eines Engels. Das war das Erste, was er zweifelsfrei festzustellen vermochte, als er ein wenig klarer sehen konnte. Ihr honigblondes Haar trug sie im Nacken zu einem lockeren Chignon zusammengesteckt, aus dem sich ein paar ungebärdige Strähnen gelöst hatten. Sie umspielten ein fein geschnittenes Gesicht mit großen bernsteinfarbenen Augen, aus denen die junge Frau ihn müde ansah. Trotz des abscheulichen Trauerkleides aus Wollstoff, das so unförmig war, dass sie beinahe darin versank, war sie ausgesprochen hübsch. Lediglich ihre Wangen wirkten ein wenig eingefallen.
    Sie kam ihm bekannt vor, aber ihr Name wollte ihm partout nicht einfallen. Fast schien es ihm, als wäre er ihr vor langer Zeit schon einmal begegnet.
    „Sie haben Ihr Versprechen gebrochen. Es ist allein Ihre Schuld, dass mein Bruder sterben musste.“ Der Schmerz in ihrer Stimme konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie wütend sie war. Ihre Augen funkelten anklagend, und sie hatte trotzig das Kinn gereckt.
    Sie machte ihn für den Tod ihres Bruders verantwortlich? Es musste sich um eine Verwechslung handeln. Stephen wusste ja nicht einmal, wer sie war – wie sollte er da ihren Bruder kennen? Er schob den Wickel von der Stirn fort und verengte argwöhnisch die Augen. „Wer sind Sie?“
    Sie erbleichte. „Sie erinnern sich nicht an mich?“, fragte sie ungläubig. „Und ich dachte, der Tag könnte schlechter nicht mehr werden.“ Klirrend setzte sie die Tasse ab.
    Er brachte nur wenig Verständnis für ihren Missmut auf. Verdammt, er war derjenige, der Schmerzen litt. Und jedes Mal, wenn er versuchte, sich an das Ereignis zu erinnern, das zu seinen Verletzungen geführt hatte, schien es sich in Rauch aufzulösen. Was war ihm widerfahren?
    „Sie haben meine Frage nicht beantwortet“, entgegnete er. „Wie ist Ihr Name?“
    „Ich heiße Emily.“ Sie beugte sich vor und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. Beinahe kam es ihm so vor, als warte sie auf eine Erwiderung von ihm.
    Schemenhaft fügten sich einige Bruchstücke seiner Vergangenheit wieder zusammen. Emily Barrow, Baron Hollingfords Tochter. Liebe Güte, er hatte sie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gesehen! Ungläubig musterte er sie. Alles an ihrer Haltung brachte Tugendhaftigkeit zum Ausdruck, aber er wusste noch, wie sie Steine nach seiner Kutsche geworfen hatte und auf Bäume geklettert war, um ihn auszuspionieren.
    Und mit ihr hatte er den ersten Kuss getauscht, als er ein unerfahrener Jüngling gewesen war.
    Diesen letzten Gedanken schüttelte er ab, obwohl er dankbar war, dass sich zumindest ein Teil seiner Erinnerung wieder eingestellt
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