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Die Festung der Perle

Die Festung der Perle

Titel: Die Festung der Perle
Autoren: Michael Moorcock
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Kapitel 1
     
    Ein verdammter Herrscher liegt im Sterben
     
    Im abgelegenen Quarzhasaat, dem Ziel vieler Karawanen, von denen aber nur wenige auch dorthin gelangten, lag Elric, Erbherrscher des Inselkönigreiches Melniboné, im Sterben. Er war der letzte eines über tausend Jahre alten Geschlechtes und verfügte über gewaltige Zauberkräfte. Die Kräuter und Drogen, die ihn für gewöhnlich bei Kräften hielten, hatte er in den letzten Tagen seiner langen Reise durch den südlichen Rand der Seufzerwüste aufgebraucht. Hier in der Festung Quarzhasaat hatte er keinen Nachschub finden können, denn die Stadt war mehr für ihre Schätze als für Güter des täglichen Bedarfs berühmt. Der Albinoprinz reckte langsam und schwach die knochenbleichen Finger gegen das Licht, so daß der blutrote Edelstein im Ring der Könige, dem letzten althergebrachten Symbol seiner uralten Verpflichtungen, zum Leben erwachte. Dann ließ er die Hand fallen. Einen kurzen Augenblick hatte er wohl gehofft, der Actorios würden ihn beleben; doch nun, da Elric zu schwach war, seine Kräfte heraufzubeschwören, war der Stein nutzlos. Er wollte auch keine Dämonen hierher rufen. Die eigene Torheit hatte ihn nach Quarzhasaat geführt. Er schuldete den Bewohnern keine Rache. In der Tat hätten sie Grund, ihn zu hassen, würden sie seine Herkunft kennen.
    Einst hatte Quarzhasaat über ein Land mit mächtigen Flüssen und lieblichen Tälern geherrscht, mit grünen Wäldern und reiche Ernte tragenden Feldern. Doch das war vor über zweitausend Jahren, ehe in einem Krieg gegen das feindliche Melniboné gewisse unvorsichtige Zauberformeln verwendet worden waren. Quarzhasaats Reich ging für beide Seiten verloren. Wie eine Flut überschwemmte der Sand das Land, bis nur noch die Hauptstadt und ihre Traditionen übrig waren, die allmählich der einzige Grund wurden, daß die Stadt noch existierte. Da Quarzhasaat immer dort gestanden hatte, waren seine Bürger der festen Überzeugung, es müsse, gleich was es kostete, auf ewig erhalten bleiben. Obgleich die Festung keinerlei Zweck oder Funktion hatte, fühlten ihre Herren sich verpflichtet, ihren Fortbestand zu sichern. Dazu war ihnen jedes Mittel recht. Vierzehnmal hatten Armeen versucht, die Seufzerwüste zu durchqueren, um das sagenhafte Quarzhasaat zu plündern. Und vierzehnmal hatte die Wüste sie besiegt.
    Die Lieblingsbeschäftigungen - manche würden sagen: die Haupttätigkeiten - in der Stadt, waren die sorgfältig ausgearbeiteten Intrigen der Herrscher gegeneinander. Dem Namen nach war Quarzhasaat eine Republik und Mittelpunkt eines riesigen Reiches, das allerdings von Sand bedeckt war. Regiert wurde die Stadt jedoch vom Rat der Sieben, seltsamerweise genannt: Die Sechs und noch Einer. Dieser Rat kontrollierte den Großteil des Reichtums der Stadt und regelte die meisten öffentlichen Angelegenheiten. Es gab einige einflußreiche Männer und Frauen, die es vorzogen, nicht dem Siebenerrat anzugehören. Sie übten beträchtlichen Einfluß aus, ohne ihre Macht offen zur Schau zu tragen. Zu diesen gehörte auch Narfis, die Baronin von Kuwair, wie Elric erfahren hatte. Sie bewohnte eine schlichte, doch wunderschöne Villa am südlichen Stadtrand und widmete ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich ihrem berüchtigten Rivalen, dem alten Herzog Rai, Mäzen der hervorragendsten Künstler Quarzhasaats. Sein Palast stand auf den Hügeln im Norden und war keineswegs protzig, sondern von schlichter Eleganz. Elric hatte gehört, daß diese beiden je drei Mitglieder des Rates gewählt hatten, während das siebte Mitglied immer namenlos war und sich nur »Sexokrat«, Herrscher über die Sechs, nannte, weil er bei Abstimmungen das Zünglein an der Waage war. Das Ohr des Sexokraten war natürlich bei allen miteinander rivalisierenden Gruppen der Stadt sehr begehrt, auch von der Baronin Narfis und Herzog Rai.
    Elric interessierte sich für die komplex verwobene Politik Quarzhasaats ebensowenig wie für die in seinem eigenen Reiche. Er war nur aus Neugier hergekommen und weil Quarzhasaat der einzige Zufluchtsort in dem riesigen Wüstengebiet nördlich des namenlosen Gebirgszuges war, der die Seufzerwüste von der Tränenwüste trennte.
    Elric bewegte die völlig erschöpften Glieder auf dem dünnen Strohsack und überlegte zynisch, ob er hier wohl verscharrt werden würde, ohne daß die Leute je erfuhren, daß der Monarch ihres Erbfeindes bei ihnen gestorben war. Sollte dies das Schicksal sein, das die Götter ihm
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