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Das Leben Zimmer 18 und du

Das Leben Zimmer 18 und du

Titel: Das Leben Zimmer 18 und du
Autoren: Nancy Salchow
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selbst diese Umschreibung trifft es nicht genau.
    Ich bekomme Panik. Der linke Arm? Das kann nichts Gutes bedeuten. Ich habe Angst um mein Herz und steigere mich in die Befürchtung hinein, eine ernsthafte Krankheit zu haben. Mein Mann David, der neben mir im Bett liegt, erklärt mir, dass es nichts Schlimmes ist. Eine Vermutung, die einer Feststellung gleichkommt, immerhin kennt er meine Angst vor Krankheiten und die Fähigkeit, die Flöhe husten zu hören, wenn es um meinen Körper geht. Nach wie vor bin ich zu diesem Zeitpunkt zum Beispiel felsenfest davon überzeugt, dass ich ebenfalls einen Hirntumor wie mein Zwillingsbruder habe, schließlich habe ich seit Monaten einen unerklärlichen Kopfschmerz an einer ganz bestimmten Stelle auf der linken Seite. Deswegen zum Arzt gehen? Unvorstellbar! Viel zu groß ist die Angst vor der Diagnose.
    Mein linker Arm wird immer mehr zum Fremdkörper. Die Panik wächst. Ich denke an die Worte meines Arztes, der mir zu erklären versucht hat, dass ich die Beruhigungstabletten, die er mir erstmals kurz nach der Diagnose meines Bruders verschrieben hat, nicht regelmäßig nehmen kann, da sie abhängig machen können. Ein Gedanke, der mich zusätzlich lähmt, immerhin habe ich die Tabletten in letzter Zeit häufiger genommen als in den Monaten zuvor. Warum eigentlich? Ich versuche, mich zu erinnern. Schlaflosigkeit, innere Unruhe. Traurig war ich eigentlich nicht, nein. Oder doch? Viel zu groß ist doch eigentlich die Freude über den Taschenbuchvertrag, der mir gerade erst von meinem Verlag angeboten wurde. Eine Neuigkeit, die ich in naher Zukunft mit der Öffentlichkeit teilen darf.
    Nein, eine Tablette kann ich nicht schon wieder nehmen. Es muss diesmal ohne gehen. Ich bin doch eigentlich müde, also werde ich auch schlafen können.
    Doch die Panik in mir weiß es zu verhindern. Mein Herz schlägt so laut, dass ich es beinahe hören kann, mein Blut scheint in meinen Venen zu kochen.
    Ist das noch mein Körper? Werde ich verrückt?
    Ganz sicher, ich drehe durch! Die ganze Zeit über habe ich darauf gewartet, dass sich mein Körper für den ununterbrochenen Stress in der Krankheitsphase meiner Familie rächt, jetzt scheint es endlich soweit zu sein.
    Mein Puls rast. Ich schwitze. Und immer noch scheint das Blut in mir zu kochen.
    David versucht, mich zu beruhigen, aber endlich erkennt auch er, dass diese Angst nicht mit meiner üblichen Überängstlichkeit vergleichbar ist.
    Ich ahne, dass es eine Panikattacke ist. Irgendwann habe ich von ähnlichen Symptomen gelesen und als ich ein paar Monate zuvor nach meiner Gallen-OP im Krankenhaus der Meinung war, dass meine Thrombose-Strümpfe meine Beine abschnüren, hatte ich ein ähnliches Gefühl der Panik. Nur weitaus weniger schlimm.
    Ich entscheide mich doch für eine Tablette, die glücklicherweise wirkt. Irgendwann wird die Müdigkeit stärker. Doch schon am Abend darauf holt mich die nächste Attacke ein.
    Nein, du kannst nicht schon wieder eine Tablette nehmen, rede ich mir ein.
    Von da an beginnt der Sumpf, in den mich die Attacken reißen, tiefer zu werden. Das Schlimmste jedoch ist das Gefühl zwischen den Attacken: die Angst, wieder in Panik zu verfallen. Eine Angst, die das schlimmste Symptom der Attacken zum Vorschein bringt: Das Gefühl endloser Leere.
    Denn wie kann ein Leben mit diesen Ängsten einen Sinn haben? Wie kann ich gegen mich selbst ankämpfen? Ich sehe ein, dass es ein hoffnungsloser Kampf sein muss, wenn ich selbst mein Gegner bin.
    Nach der bis dato schlimmsten Panikattacke rufe ich die Bereitschaftsärztin, zum damaligen Zeitpunkt eine für mich noch fremde Frau, zum ersten Mal an. Glücklicherweise ist sie Psychiaterin und nimmt mich sofort in ihre Kartei auf, nachdem sie mir versichert hat, dass ich an diesen Symptomen nicht sterben werde. Und ja, dieser Gedanke war mir wirklich gekommen, so absurd es auch klingt. Dieser Ärztin verdanke ich einen ersten Anflug von Hoffnung, nicht zuletzt deshalb, weil sie mir bei meinem ersten Termin in ihrer Praxis zum ersten Mal Antidepressiva verschreibt.
    Doch nur zwei Tage später ist meine Hoffnung vollkommen verblasst. Es ist der Morgen des 24. Februar. Und ich sitze auf der dritten Stufe von unten.

    Ich senke die Stimme. Da war sie, meine Geschichte, die Entstehung meiner Krankheit in groben Umrissen.
    Der Arzt schaut mich mit nüchternem Blick an, während er sich immer wieder zur Tastatur seines Computers abwendet und einen Fragebogen ausfüllt. Er kennt
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