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Das Leben Zimmer 18 und du

Das Leben Zimmer 18 und du

Titel: Das Leben Zimmer 18 und du
Autoren: Nancy Salchow
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eine bis zwei Wochen brauchen, um zu wirken.
    Ich erzähle Viola am Telefon von meinen vergangenen Panikattacken und meiner Angst vor der nächsten. Von der Leere, die durch die Attacken hervorgerufen wird und ich will wissen, ob es ihr ähnlich ging.
    Viola will nicht telefonieren, sondern kommt direkt zu mir nach Hause. Als sie mich in meinem Zustand vorfindet, überlegt sie nicht lang und ruft die Bereitschaftsärztin an. Ihr Sohn, mein Mann David, der vergeblich versucht hat, mich zu beruhigen, erkennt auch, dass dies der beste Schritt in dieser Situation ist. Hilfe. Ja, endlich kommt Hilfe.
    Es ist nicht das erste Mal, dass eine Ärztin zu mir nach Hause kommt. Wenige Tage zuvor, nach meiner zweiten Panikattacke, habe ich selbst schon einmal eine Notärztin gerufen. Dieselbe Ärztin, die wenig später zu meiner Psychiaterin wurde und mir Antidepressiva verschrieb. Diesmal jedoch ist uns allen klar, dass es nur auf eines hinauslaufen kann: Ich muss in die Klinik. Die Wartezeit auf die Wirkung der Antidepressiva kann ich allein nicht mehr überstehen, zusätzlich lähmt mich die Angst, ob sie überhaupt wirken. Und einen Termin bei einem Therapeuten, der unterstützend zu den Tabletten notwendig wäre, bekomme ich frühestens in drei Monaten.
    Als die Ärztin bei uns eintrifft, sitze ich mit zitternden Beinen auf dem Sofa. Sie spricht mir Mut zu, redet lange mit mir und schlägt schließlich vor, mir eine Einweisung in die psychiatrische Klinik zu geben. Dies begründet sie mit einem Satz, den ich bis heute nicht vergessen habe: „Schlechter als jetzt kann es Ihnen nicht gehen.“
    Während sie das sagt, liegt ihre Hand auf meinem Knie und ich merke, dass ich zum ersten Mal seit Langem Hoffnung empfinde. Echte Hoffnung. Denn sie hat recht: Schlechter als jetzt kann es mir nicht gehen. Von hier an kann es nur noch bergauf gehen. Und da will ich hin, über den Berg. Über die Angst hinweg. Zurück ins Leben.
    Die Einsicht, dass es tatsächlich nur noch besser werden kann, beflügelt mich für den Moment. Meine Tasche fürs Krankenhaus packe ich beinahe schon euphorisch. Jetzt wird alles gut.
    Ich schaue ein letztes Mal auf das Foto meines Zwillingsbruders, das im Wohnzimmer steht. Ich bin überzeugt davon, dass es sein Tod war und der kurz darauf folgende Tod meiner Mutter, der mich in diese Lage gebracht hat. Dass die Antwort sehr viel komplizierter ist, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
    Aber das muss ich auch nicht.
    Gerade die Ahnungslosigkeit ist einer meiner wichtigsten Wegweiser. Aber das erfahre ich erst später. Nicht jetzt. Nicht am 24. Februar.
    Ich nehme meinen Kater Poldi auf den Arm und verabschiede mich. Dann steigen David, Viola und ich ins Auto. Ziel: Hanse-Klinikum Wismar. Station: Allgemeine Psychiatrie.

    Kapitel 2 – Der Fahrstuhl

    Ich erinnere mich an diesen einen Moment vor dem Fahrstuhl. Der Fahrstuhl der Klinik, die ich mittlerweile besser kannte, als mir lieb war. Ich hatte an diesem Tag meine Mutter auf ihre Station gebracht, wo sie ihre Chemotherapie erhalten sollte, war gerade von der Rezeption im Haupteingang zurückgekommen, wo ich sie angemeldet hatte und stand nun vor besagtem Fahrstuhl. Ich wollte auf die andere Station fahren, auf der mein Bruder lag, der kurz zuvor am Kopf operiert worden war. In diesem einen Moment, in dem ich darauf wartete, dass der Fahrstuhl kam, ertappte ich mich dabei, dass ich den Faden verlor. Für den Bruchteil eines Augenblicks wusste ich nicht mehr, woher ich kam und wohin ich wollte.
    Hatte ich meine Mutter schon angemeldet?
    Ja, hatte ich, zumindest hatte ich eine Nummer gezogen, die aufgerufen wird, sobald ich im Rezeptionsbereich an der Reihe war. Dass dies bis zu einer Stunde dauern kann, wusste ich von den vorherigen Malen. Genügend Zeit also, um zwischendurch meinen Bruder auf der anderen Station zu besuchen. Während ich auf den Fahrstuhl wartete war jedoch alles weg. Jeder Gedanke, jedes Vorhaben.
    Befand ich mich gerade auf Station zwei oder drei? Und auf welcher Station lag Martin? War ich gerade bei meiner Mutter gewesen oder wollte ich noch zu ihr? Und hatte ich schon eine Nummer an der Rezeption gezogen?
    Ach ja, die Nummer.
    24.
    Oder war es die 26? Ich kramte in meiner Hosentasche nach dem Zettel.
    26. Ja, natürlich.
    Während die Gedanken langsam wieder in meinen Kopf zurückkehrten, wurde mir die Absurdität der Gesamtsituation bewusst. War das alles wirklich wahr? Geschah das wirklich unserer Familie?
    Der eigene
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