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Das Leben Zimmer 18 und du

Das Leben Zimmer 18 und du

Titel: Das Leben Zimmer 18 und du
Autoren: Nancy Salchow
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ich nach seiner Hand, während wir nebeneinander an den offenen Türen vorbeigehen. Türen, die den schmalen Blick auf leere Zimmer preisgeben. Hier und da unterbricht der Rest eines bunten Fensterbildes die graue Leere des Raumes.
    Ein Schritt.
    Zwei Schritte.
    Mein Herz schlägt bis zum Hals, während ich seine Hand fester umklammere. Warm und schützend legen sich seine Finger um meine.
    Auf einer der Türen ergeben die letzten verbliebenden Buchstaben eine Ahnung des Wortes „Pumpstation“.
    Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir uns auf der ehemaligen Geburtenstation befinden.
    Ein flüchtiges Grinsen huscht über meine Lippen. „Ganz schön still für eine Babystation.“
    Er lacht leise.
    Am Ende des Ganges angekommen bleiben wir neben einer offenen Zimmertür stehen.
    Da ist es wieder, das wohlig warme Gefühl, das meinen Magen in ein Sammellager wildgewordener Hummeln verwandelt.
    Fast kommt es mir so vor, als stünde der lange staubige Flur als Metapher für die letzten Monate, die uns so fern voneinander den Blick auf die Sonne verstellt haben, nur um nun, am Ende des Ganges angekommen, endlich das langersehnte Licht zu finden.
    Er führt seine Hand zur Tür und schiebt sie langsam auf.
    „Zimmer 18“ flüstere ich.
    „Zimmer 18“, wiederholt er lächelnd.
    „Meinst du, sie finden uns hier?“, frage ich, als ich meinen Fuß zögernd über die Schwelle setze.
    „Sie haben uns nicht gesehen“, antwortet er und während ich mich fragend zu ihm umdrehe, weiß ich, dass es die einzige Antwort ist, die wir brauchen.

    Kapitel 1 – Die dritte Stufe von unten

    Es ist die dritte Stufe von unten, auf der ich sitze. Ich weiß nicht, warum ich mich ausgerechnet daran erinnere, denn eigentlich nehme ich in diesem Moment wenig wahr. Alles, was ich fühle, ist eine endlose Leere. Eine Leere, die ich nicht kenne und die eine solche Macht entwickelt, dass ich nicht weiß, ob ich weinen, mich übergeben oder einfach in Ohnmacht fallen soll.
    Alles ist in diesem Moment egal. Nicht nur alles, auch jeder. Und gerade dieses Gefühl bereitet mir die meiste Angst. So viel Angst, dass ich befürchte, keine Luft mehr zu bekommen.
    Nein, diese Leere passt nicht zu mir. Ich wusste nie, wie es ist, keinen Sinn mehr zu erkennen. Was auch immer ich erlebt oder getan habe, welchen Schicksalsschlägen auch immer ich mich zu stellen hatte, ich war immer in der Lage, einen Sinn zu sehen. Selbst wenn er noch so klein war. Irgendeinen Lichtblick gab es immer.
    In diesem Moment jedoch, hier auf der dritten Stufe von unten, ist er vollkommen verschwunden, dieser Lichtblick. Ich kann ihn weder sehen noch in Worte fassen, weder fühlen noch den Antrieb finden, nach ihm zu suchen.
    Wo ist die Liebe für meine Familie? Wo die Freude am Schreiben? Und wo der Trost, der sonst in den kleinen alltäglichen Dingen lag?
    Ich suche nach Luft, die meine Lungen und meine Seele mit Leben füllt, doch alles, was ich finde, sind Tränen. Viele Tränen.
    Ich weine und ich bin froh, dass ich es kann, denn letztendlich sind es diese Tränen, die meine Umgebung und mich selbst endlich wachrütteln.
    Endlich bekommt meine Stimmung ein Gesicht, meine Gefühle ein Ventil und meine Krankheit einen Namen: Depression.

    Es ist der Morgen des 24. Februar 2013. Der Moment auf der dritten Stufe von unten, der nicht der Anfang der Krankheit ist, aber letztendlich der Moment, in dem mir klar wird, dass ich Hilfe brauche.
    Wie viele Menschen in dieser Situation habe ich versucht, meine lähmende Traurigkeit mit mir allein auszumachen und selbst ein Ventil zu finden, so wie ich es stets in schweren Zeiten getan habe, um wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Denn irgendwo war sie immer, die Hoffnung. Manchmal besser versteckt als sonst, aber gefunden habe ich sie grundsätzlich. Und jedes Mal schaffte ich es ohne fremde Hilfe, allein durch meinen Glauben an einen guten Ausgang.
    Nur dieses Mal will es mir nicht gelingen. Bis aus der Traurigkeit Leere wurde. Eine Leere, die mich wünschen lässt, zur normalen Traurigkeit zurückkehren zu können und die mich letztendlich dazu bringt, mit zitternder Stimme meine Schwiegermutter anzurufen.
    Viola kennt die Krankheit, weil sie selbst betroffen ist. Wie lange ihre Antidepressiva gebraucht haben, um ihre Wirkung zu entwickeln, will ich von ihr wissen. Zwei Tage zuvor habe ich die Tabletten von meiner Psychiaterin verschrieben bekommen und hoffe nun auf ein Wunder, obwohl mir jeder sagt, dass die Tabletten mindestens
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