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Das Leben der Wünsche

Das Leben der Wünsche

Titel: Das Leben der Wünsche
Autoren: Thomas Glavinic
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Praktikanten, bildete sich viel darauf ein, sich daran zu halten. Jonas ging meist in den kleinen Park hinter dem Gebäude, wo alle paar Meter Kollegen mit ihren Laptops saßen, den alten Schachspielern den Platz an den Holzbänken streitig machten oder mit Schuljungen Fußball spielten.
    Unweit einer Gruppe grauhaariger Kugelwerfer stieß er auf Werner. Der war gerade dabei, sich an seinem Notebook Musikvideos anzusehen und zugleich mit einem Kunden zu telefonieren. Parallel dazu drohte er einigen Knaben, die es mit ihren Steinschleudern auf Tauben abgesehen hatten. Jonas nahm neben ihm auf der Bank Platz und wartete, bis Werner zu Ende telefoniert hatte.
    Es fiel ihm nicht leicht, seine Bitte vorzutragen, und im Stillen verwünschte er Helen und ihre Schnapsideen. Er schuldete Werner viel, ohne sich je erkenntlich zeigen zu können. Dass sie hier zusammen arbeiteten, war auch ihm zu verdanken. Jonas war kein begnadeter Werbetexter,aber Werner, der schon größere Etats alleinverantwortlich leitete, hatte ihm dennoch einen Schreibtisch verschafft. Werner saß in einem der kleineren Büros, entwarf Marketingkonzepte, leitete Briefings und besuchte wichtige Kunden. Im großen Büro erledigte Jonas Aufgaben, bei denen nicht viel schiefgehen konnte.
    Deine Schwester und ihre Boutique …
    Ja? Gefällt sie dir? Kann dich nur warnen. Die Frau ist nicht ganz dicht.
    Davon rede ich doch nicht! Weißt du nicht mehr, ich habe dich mal gefragt …
    Ach so. Wegen deiner Frau, nicht wahr? Ich habe mit Sophie telefoniert. Sie würde Helen gern treffen.
    Sie wird sich freuen. Allmählich glaube ich, du bist gar nicht wirklich nett, du willst im Gegenteil die Menschen quälen, indem du sie durch wiederholte Zuwendung unter Druck setzt.
    Wer hat denn behauptet, ich sei nett?
    Und das stimmt auch noch. Du bist wirklich nicht nett. Was man sich unter einem netten Menschen vorstellt, bist du nicht. Du hast nicht mit jedem Mitleid, zum Beispiel, du hast nicht diesen Reflex.
    Sehr richtig. Zum Glück! Übrigens hätte ich auch eine Bitte an dich, mir kam heute früh ein Gedanke. Vielleicht sage ich es dir nächste Woche. Vielleicht auch nie.
    Jemand blies ihnen mit einer Trillerpfeife von hinten ins Ohr, sodass sie zusammenfuhren. Es war Severin, einer der Textchefs. Werner packte ihn am Arm, entwand ihm die Pfeife, schenkte sie einem Jungen und setzte sich wortlos wieder.
    Wie stehts mit der Autowäscherei? fragte Severin. Bald fertig?
    Würde nicht darauf wetten, sagte Jonas. Schrecklicher Auftrag. Stumpfsinnig und albern. Keinerlei Abwechslung.
    Also genau richtig für dich, sagte Severin, spuckte einen Kaugummi aus und kickte ihn knapp über ihre Köpfe hinweg in ein Gebüsch.
    Er setzte sich eine Bank weiter und bot drei Kindern Geld dafür, dass sie ihm vom Kiosk einen Sechserpack Bier brachten. Jonas schaltete seinen Laptop ein.
    Wenn ich in mir, sagte Werner, in der Materie grabe, immer tiefer, stelle ich vielleicht fest, dass ich Energie bin.
    Aber nur vielleicht, sagte Jonas.
    Was ist deine Meinung zur Bedrohung aus dem All?
    Gibt es die Bedrohung aus dem All denn wirklich, oder hat sie sich jemand ausgedacht?
    Sie wissen es seit heute Nacht, vielleicht auch länger, bekannt wurde es erst jetzt. Irgendjemand hatte sich verrechnet oder hat sich jetzt verrechnet, so genau weiß man das bei diesen Leuten ja nie. Wer Meter und Yard nicht auseinanderhalten kann …
     
    Auf allen Nachrichtenseiten wiesen überdimensionale Icons auf Berichte über den Asteroiden hin, der den Namen Kaetos 2 trug. Die Wissenschaftler stritten noch über die Trefferwahrscheinlichkeit, und 1:4000 war die pessimistischste Schätzung, manche sprachen von 1:12.000, andere von 1:25.000. Gierig las Jonas, er fühlte erregte Spannung, aber beunruhigt war er nicht. Ebenso wie Werner war er vom Weltall fasziniert, und als damals der Pathfinder auf dem Mars gelandet war, hatten sie sich begeistert die Bilder von dieser völlig anderen Welt angesehen.
    Am Nachmittag läutete sein Handy. Er freute sich, als er Annes Namen las, er hatte seit einer Woche nichts von ihr gehört.
    Dreh den Fernseher an! Sofort!
    Auf dem Flur, wo seit Weihnachten ein Fernseher an der Wand hing, roch es wegen der ständig ratternden Kopierer durchdringend nach Papier. Jonas musste erst eine klebrige Dartscheibe vom Monitor ziehen, auf der offensichtlich schon mehr als einmal jemand Speisen und Getränke transportiert hatte, dessen Gleichgewichtssinn gestört gewesen war. Die
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