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Das Leben der Wünsche

Das Leben der Wünsche

Titel: Das Leben der Wünsche
Autoren: Thomas Glavinic
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hatte, im Lift durch einen absurden Zufall Bekannten zu begegnen, lief er mit gesenktem Kopf die Treppe in den vierten Stock hoch. Er klopfte zweimal langsam, dreimal schnell. Im Zimmer hörte er Schritte. Er drückte die Brust heraus und holte tief Luft.
    Marie trug ein dunkelrotes Kleid mit dezentem Ausschnitt und elegante schwarze Schuhe. Das schwarze Stirnband hatte er ihr geschenkt. Sie sagte etwas, doch er nahm es nur halb wahr. Im Zimmer roch es nach Bergamotte.
    Wortlos berührte er ihr Gesicht. Zu dem kleinen schwarzen Punkt in ihrer rechten Iris sagte er still Hallo, er tat es jedes Mal, wenn sie sich sahen. Sie umarmten sich. Es erregte ihn, die Spannkraft ihres Körpers zu spüren. Zweimal die Woche ging sie schwimmen, und ihr Körper fühlte sich zehn Jahre jünger an als vierunddreißig. Er drängte zum Bett, doch sie machte den Rücken steif.
    Wer war es? Was weiß er?
    Unwillig tauchte er aus seiner Entrückung wieder auf.
    Vergiss das Ganze. Es ist nicht zu erklären.
    Was wollte er denn?
    Mir drei Wünsche erfüllen.
    Mach nur so weiter, mein Lieber, lass dir deinen Spaß nicht nehmen, ich habe auch eine Überraschung für dich!Zuerst würde ich jedoch gern deine Wahrnehmung schärfen für gewisse meiner Eigenschaften, die dir noch nicht aufgefallen sein dürften: etwa ein eklatanter Mangel an Mut, jedenfalls was solche Dinge betrifft! Ich bin keine Heldin beim Ehebruch! Wenn ich mit dir unterwegs bin, will ich nicht das Gefühl haben, in einem parkenden Auto lauere jemand mit einem Fotoapparat!
    Was für eine Überraschung hast du für mich?
    Sie rückte ein Stück von ihm ab.
    Wer war es? Was wusste er? Was habt ihr geredet?
    Lass uns die Sache vergessen! Bitte! Apok weiß nichts! Helen weiß nichts! Wir haben doch nur diese zwei Stunden!
    Marie stampfte ihm auf die Zehen und funkelte ihn stumm an.
    Hey! Muss das sein?
    WER WAR ES?
    Ich habe keine Ahnung! Ich glaube, es war ein Verrückter, einfach jemand, der mit wirren Ideen durch die Welt zieht und da und dort haltmacht, um sich auf seine aberwitzige Weise mit Leuten auseinanderzusetzen, die ihn aus irgendeinem Grund interessieren.
    Die Beschreibung würde aber auch auf dich zutreffen!
    Die trifft wahrscheinlich auf die meisten Menschen zu, sagte er.
    Was ist mit dir? Alles in Ordnung?
    In seinen Gedanken blitzte die Seilbahn auf, und das Kind fiel ihm ein, das gerettet worden war, doch in diesem Moment schubste Marie ihn auf das angenehm kühle Bett. Sie zogen sich aus, jeder für sich, behände und ohne ein Wort zu verlieren.
    Jede Frau hatte eine klein wenig andere, eine besondereArt zu lieben, und Jonas war verrückt nach der von Marie. Helen spreizte die Beine kaum, Marie hingegen spannte sie entweder ganz auf oder winkelte sie an, legte die Unterschenkel gegen seine Seiten, sodass er sich als Teil einer kompakten Form empfand, sie wurden eins, waren einander so nah, wie es nur ging.
    Sie küssten sich. Marie öffnete die Beine, und er bewunderte einige Sekunden ihre großen, silbrigen Schamlippen, ehe er sie in den Mund nahm. Sie klemmte seinen Kopf zwischen ihre Oberschenkel. Gedämpft hörte er sie stöhnen. Als er einmal den Blick nach oben wandte, sah er sie mit geschlossenen Augen daliegen, einen Finger zwischen den Zähnen. Ihr Becken bäumte sich immer wilder auf. Kurz vor ihrem Höhepunkt glitt er über sie. In ihm fiel eine Schranke, und er ging ein in die Zeitlosigkeit der Träume.
     
    Er kam vom Bad zurück, legte sich neben sie und stemmte den nackten Fuß gegen den hölzernen Bettpfosten. Von unten betrachtete er das erotische Gemälde an der Wand, das eine Geisha auf einem Fürsten oder Samurai zeigte.
    Werner sagte neulich, Menschen, die nicht ficken, nehme er nicht ernst.
    Und Menschen, die nicht denken, nehme ich nicht ernst, murmelte sie unter dem Kissen hervor.
    Hast du von dem Unglück gehört?
    Wovon ist die Rede?
    Von der Seilbahn. In den Bergen.
    Sie setzte sich auf und klopfte mit der flachen Hand das Kissen glatt.
    Das muss doch nicht gerade jetzt sein, Jonas.
    Entschuldige. Es ist nur – es war so …
    Ich weiß. Hör auf damit.
    Nein. Das meine ich nicht. Ich kann es nicht erklären.
    Was kannst du nicht erklären?
    Er drehte am Suchknopf des Radios neben dem Bett. Nach einer Minute knatterndem Rauschen fand er einen Jazzsender.
    Du hast eine Überraschung für mich? fragte er.
    Apok will das Haus kaufen.
    Das Haus? Welches Haus? Ach, das Haus. Ich dachte, es sei zu teuer?
    Ist es ja auch! Aber letzte Woche
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