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0016 - In den Klauen der Vampire

0016 - In den Klauen der Vampire

Titel: 0016 - In den Klauen der Vampire
Autoren: Susanne Wiemer
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In diesem Punkt allerdings schien er sich geirrt zu haben. Der Hagere löste sich von der Reling und kam herüber. Im Ungewissen Licht wirkte sein Gesicht fast geisterhaft bleich, der Umhang bauschte sich um seine Schultern. Er lächelte und entblößte dabei zwei Reihen weißer glänzender Zähne.
    Morton Danning hatte das Gefühl, daß etwas nicht stimmte.
    Der Kapitän war ein scharfer Beobachter – aber er brauchte einen Moment, bis ihm bewußt wurde, daß es an den Zähnen lag. An diesen langen spitzen Eckzähnen, die im ersten fahlen Mondlicht schimmerten wie scharfe Fänge, über die dünne Unterlippe des Burschen ragten und… Danning wollte etwas sagen, doch er brachte kein Wort heraus.
    Eben noch hatte alles normal ausgesehen, war der Fremde über das Deck gekommen wie irgendein beliebiger Passagier, der Unterhaltung sucht. Jetzt schien er sich wie ein Raubtier anzuschleichen.
    Etwas hatte sich verändert, verschoben, so wie Gewitterstimmung einen sonnigen Tag verändern kann, und von einer Sekunde zur anderen verwandelte sich das friedliche Bild in die Szenerie eines Alptraums.
    Danning wich zurück.
    Er brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, die ganze Kraft seiner unerschütterlichen, handfesten Vernunft, um das Gefühl des Unheimlichen abzuschütteln. Seine Stirn fürchte sich, und er schalt sich selbst einen Narren.
    »He«, brummte er. »Was haben Sie denn, Mister? Ist Ihnen nicht gut oder…«
    Der Fremde war noch etwa zwei Yard entfernt, als er jäh vorschnellte.
    Nicht einmal ein Funkeln in seinen gelblichen Augen hatte ihn verraten, und der Angriff kam selbst für Kapitän Danning überraschend. Er wurde gegen die Reling zurückgeschleudert. Hart prallte der hagere Körper des Fremden gegen ihn, zwei Hände schossen auf ihn zu, schlugen seine zur Deckung erhobenen Arme beiseite, und in der nächsten Sekunde sah er die gelben Augen und die glänzenden Zähne dicht vor sich.
    Er schrie, als er den heißen Atem des Ungeheuers spürte. Schrie, als sich die gräßlichen Zähne in seinen Hals bohrten. Namenloses Entsetzen lähmte ihn. Er spürte das Rieseln von warmem Blut auf der Haut, er spürte in einer Art düsterem Taumel das Schwinden seiner Kräfte – aber er war unfähig, irgend etwas dagegen zu unternehmen.
    Erst Minuten später ließ der Fremde von dem ausgebluteten Leichnam ab.
    Der schwarze Umhang bauschte sich im Wind, die gelben Augen verengten sich und glänzten matt wie Messing. Hoch aufgerichtet verharrte der hagere Mann, sah sich um und lauschte.
    Alles blieb still. Kein Mensch schien den schrecklichen Schrei gehört zu haben. Der Fremde blieb noch ein paar Sekunden reglos stehen, dann wandte er sich um und glitt mit lautlosen Schritten in den Schatten des Deckhauses.
    Eine breite Treppe führte hinunter in den Salon.
    Zwei braunhäutige hawaiianische Matrosen spielten Karten an einem der Tische. Sie hörten die gleitenden Schritte nicht. Und sie sahen auch nicht, daß ein Schatten über sie fiel – denn die hagere Gestalt des Fremden warf keinen Schatten.
    Ein blitzschneller Handkantenschlag traf das Genick des älteren Matrosen und tötete ihn auf der Stelle.
    Der Jüngere riß den Kopf hoch. Die Karten entglitten seinen Fingern und fielen auf die Tischplatte, seine dunklen Augen weiteten sich mehr überrascht als erschrocken. Er starrte den Fremden an – und da erfaßte sein Blick die dunklen schimmernden Blutstropfen um den schmalen Mund.
    Ein paar gurgelnde, kehlige Laute in seiner Heimatsprache – das war alles, was er noch herausbrachte.
    Er begriff nicht, was über ihn kam. Wie gelähmt saß er da, an seinen Platz gebannt von einem namenlosen, aus unauslotbarer Tiefe emporsteigenden Grauen. Viel zu spät reagierte er, viel zu spät setzte der Mechanismus der Selbsterhaltung wieder ein – und der Biß in die Kehle lähmte seine Widerstandskraft fast augenblicklich.
    Diesmal ließ der Fremde schneller von seinem Opfer ab.
    Tiefe Zufriedenheit sprach aus seinem Blick, als er sich überzeugte, daß der Mann zu seinen Füßen tot war. Die gelben Augen glitzerten, das bleiche scharfe Gesicht hatte sich auf eigentümliche Weise verjüngt und geglättet. Mit einem tiefen Atemzug richtete er sich auf, wandte sich abermals um und huschte die Treppe wieder hinauf, über die er gekommen war.
    Leif Eckström, der hünenhafte schwedische Steuermann, wurde von der gnadenlosen Stahlklammer zweier Hände erwürgt, ohne daß ihn auch nur das leiseste Geräusch warnte.
    Der Fremde
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