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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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Verstandes.«
    »Dank meines
Schutzes.«
    »Und stört
es dich wirklich nicht, Cicero, daß der Mann, den du so
erfolgreich verteidigt hast, die ganze Zeit schuldig
war?«
    »Es ist nichts
Unehrenhaftes, einen schuldigen Mandanten zu verteidigen - da
kannst du jeden Anwalt fragen. Und es ist durchaus ehrenhaft, einen
Tyrannen bloßzustellen.«
    »Mord bedeutet
dir nichts?«
    »Das Verbrechen
ist verbreitet. Die Ehre ist rar. Und jetzt, Gordianus, muß
ich dich wirklich verabschieden. Du kennst ja den Weg nach
draußen.« Cicero drehte sich um und ging aus dem
Raum.
    Es war ein warmer,
aber nicht unangenehm heißer Tag. Zunächst war Bethesda
unruhig, zurück im Haus auf dem Esquilin zu sein, aber bald
lief sie geschäftig von Zimmer zu Zimmer, um alles nach ihrem
Geschmack wiederherzurichten. Am Nachmittag begleitete ich sie zum
Markt. Das Getriebe der Subura erfaßte mich - das Geschrei
der Verkäufer, der Geruch frischen Fleisches, das Vorbeieilen
halbwegs vertrauter Gesichter. Ich war froh, wieder zu Hause zu
sein.
    Als Bethesda
später das Abendessen zubereitete, machte ich einen langen,
ziellosen Spaziergang durch das Viertel, spürte den warmen
Wind im Gesicht und hob meinen Blick zu den blaßgoldenen
Wolken am Himmel. Meine Gedanken wanderten zur Dachterasse von
Titus Megarus unter den Sternen; zu dem heißen Sonnenschein,
der Ciceros Atrium durchflutete; zum Haus der Schwäne und den
abgründigen Tiefen in Elektras Augen; zu einem flüchtigen
Blick auf Roscias nackte Schenkel, während Tiro sie
verzweifelt umklammert hielt und an ihrem Hals stöhnte; zum
verunstalteten Leichnam von Sextus Roscius, der all diese
verschiedenen Dinge zusammengebracht und mit seinem eigenen Blut
und dem seines Vaters wie mit Mörtel verbunden
hatte.
    Auf einmal spürte
ich einen nagenden Hunger und wollte mich auf den Heimweg machen.
Ich sah mich um und wußte eine Zeitlang nicht, wo ich war,
bis mir klar wurde, daß ich irgendwie am anderen Ende der
engen Gasse gelandet war. Ich hatte nicht vorgehabt,
hierherzukommen oder überhaupt so weit zu gehen. Vielleicht
gibt es einen Gott, dessen leitende Hand so sanft auf der Schulter
eines Menschen liegt, daß der sie nicht einmal
spürt.
    Ich wandte mich
heimwärts.
    Unterwegs traf ich
niemanden, nur hin und wieder hörte ich durch offene Fenster,
wie Frauen ihre Familien zum Essen riefen. Die Welt schien
friedlich und ruhig, bis ich hinter mir Fußgetrappel
hörte.
    Viele Füße,
die auf die Pflastersteine knallten, vermischt mit schrillen
Schreien, die in der schmalen Gasse widerhallten, sowie das
Geräusch von Stöcken, die an den schiefen Mauern
entlangkratzten. Einen Moment lang wußte ich nicht, woher die
Geräusche kamen, so eigenartig klang ihr Echo. Es schien
näher und näher zu kommen, mal von vorn, mal von hinten,
als sei ich von einem kreischenden Mob umzingelt.
    Sulla hat gelogen,
dachte ich. Mein Haus auf dem Hügel steht in Flammen. Bethesda
ist vergewaltigt und ermordet worden. Und jetzt bin ich dem
gedungenen Pöbel in der engen Gasse in die Falle gegangen. Sie
werden mich mit ihren Stöcken erschlagen. Sie werden mich in
Stücke reißen. Gordianus der Sucher wird vom Antlitz der
Erde verschwinden, und niemand wird es je erfahren außer
seinen Feinden, die es bald vergessen haben werden.
    Der Lärm wurde
noch schriller, geradezu ohrenbetäubend. Aber es waren keine
Männerstimmen, die ich hörte, sondern lärmende
Jungen, die hinter mir kreischten. Im nächsten Augenblick
kamen sie lachend, schreiend, sich gegenseitig anrempelnd und
Stöcke schwenkend um eine Biegung der schmalen Gasse. Sie
jagten einen kleineren, in blaue Lumpen gehüllten Jungen, der
mir direkt in die Arme lief und sich in meine Tunika vergrub, als
sei ich ein Turm, in dem er sich verstecken konnte.
    Seine Verfolger kamen
rutschend zum Stehen, sie knufften sich, lachten und kreischten
immer noch und schlugen mit ihren Stöcken gegen die Mauer.
»Er gehört uns!« schrie einer der Jungen mit
durchdringender Stimme. »Hat keine Familie und keine
Zunge!«
    »Seine eigene
Mutter hat ihn verlassen«, brüllte ein anderer.
»Er ist nicht besser als ein Sklave. Gib ihn uns zurück!
Wir haben nur Spaß mit ihm gemacht.«
    Ich betrachtete das
zappelnde Bündel aus Lumpen und Sehnen in meinen Armen. Das
Kind erwiderte meinen Blick, angstvoll, zweifelnd und auf einmal
überglücklich, als er mich erkannte. Es war der stumme
Junge, Eco, der von der Witwe Polia verlassen worden
war.
    Ich hob den Blick
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