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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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zwischen meinem Daumen und meinem
Zeigefinger hoch. »Caecilia, darf ich mal deine Hand
sehen?«
    Sie zog eine Braue
hoch, neugierig, aber nicht allzu besorgt, und streckte ihre rechte
Hand aus. Ich nahm sie und spreizte vorsichtig ihre Finger. Rufus
und Tiro drängten näher, hielten sich jedoch in
respektvollem Abstand und blickten über meine
Schulter.
    Was ich suchte, war
nicht da.
    Wenn ich mich geirrt
hatte, war ich längst zu weit gegangen, um mich noch aus der
Sache herauszureden. Ein empörender Affront gegenüber
einer Metella war zumindest eine spektakuläre Methode, seinen
Ruf und sein Auskommen zu ruinieren. Ich schluckte nervös und
blickte Caecilia direkt an.
    In ihren Augen war
kein Fünkchen Verständnis, kein amüsiertes Zucken
huschte über ihr Gesicht, nur ein Lächeln so kalt wie
Frost umspielte ihre Lippen. »Ich denke«, sagte sie leise
und ernst, »es ist wohl diese Hand, die du untersuchen
willst.«
    Sie legte ihre Linke
in meine Hand. Ich tat einen Seufzer der Erleichterung.
    An der Spitze ihrer
verrunzelten Finger leuchteten fünf makellose,
rotgefärbte Nägel - makellos bis auf den Nagel ihres
Zeigefingers, der an einer Seite abgebrochen war. Ich nahm das
Stückchen roter Fingernagel, das ich auf dem Balkon gefunden
hatte, und schob es in die Lücke. Es paßte wie eine
Nuß in die Schale.
    »Dann warst du
also doch auf dem Balkon!« rief Rufus.
    »Ich habe nie
etwas anderes behauptet«, entgegnete sie kalt.
    »Aber - das
solltest du uns, finde ich, erklären. Ich bestehe
darauf!«
    Jetzt war ich es, der
Rufus zurückhielt, indem ich sanft einen Arm um seine Schulter
legte. »Weitere Erklärungen sind nicht erforderlich.
Caecilia Metella ist wohl kaum verpflichtet, uns über ihre
Schritte unter ihrem eigenen Dach Rechenschaft abzulegen. Oder
über ihre Motive und Methoden.« Ich betrachtete die
übel zugerichtete Leiche. »Sextus Roscius ist tot,
gerufen von der Göttin dieses Hauses, ihre Rachsucht zu
stillen. Niemand verlangt weitere Erklärungen. Es sei
denn«, ich neigte den Kopf, »die Herrin des Hauses
würde sich dazu herablassen, drei unwürdigen
Bittstellern, die einen langen Weg zurückgelegt haben auf der
Suche nach der Wahrheit, die Tatsachen zu
erläutern.«
    Caecilia sagte lange
nichts. Sie betrachtete die Leiche von Sextus Roscius und ließ
sich endlich zu einem Ausdruck des Abscheus hinreißen.
»Schafft ihn weg«, befahl sie mit einem Wink. Die
Sklavinnen kamen herbeigeeilt, um die Bahre ins Heiligtum
zurückzutragen. Weihrauchschwaden trieben in den Flur, als sie
die Tür öffneten und hinter sich wieder schlossen.
»Und du, Ahausarus - ruf die Gartensklaven zusammen und
laß sie die Hintertreppe schrubben. Ich will, daß bis
Sonnenaufgang jede Spur vom Blut dieses Mannes getilgt ist. Und
kümmere dich persönlich darum, daß das auch
geschieht!«      
    »Aber, Herrin

    »Los, los!«
Caecilia klatschte in die Hände, und der Eunuch trollte sich
schmollend. Dann musterte sie Tiro mit abschätzigem Blick.
Offensichtlich wünschte sie bei ihrem Geständnis keine
überflüssigen Zeugen.
    »Bitte«,
sagte ich, »laß den Sklaven bleiben.«
    Sie sah mich
mißmutig an, sagte aber nichts weiter. »Du hast mich eben
gefragt, Gordianus, ob Sextus filius den Mord an seinem Vater
gestanden hat oder ob ich zufällig etwas aufgeschnappt habe.
Beides ist nicht ganz richtig. Es war die Göttin, die mir die
Wahrheit offenbart hat. Nicht mit Worten oder einer Vision. Aber es
war ihre Hand - dessen bin ich sicher -, die mich heute abend aus
diesem Heiligtum, in das ich mich zurückgezogen hatte, durch
die Flure in den Teil des Hauses geführt hat, in dem die
Roscii untergebracht sind.«
    Ihre Augen wurden
schmal, und sie faltete die Hände. Ihre Stimme wurde leise und
traumwandlerisch. »Ich traf Sextus filius in einem der Flure,
er taumelte im Vollrausch umher und war zu betrunken, mich
überhaupt zu bemerken. Er brabbelte vor sich hin, wobei er
abwechselnd weinte und lachte. Er lachte, weil er jetzt vor dem
Gesetz ein freier Mann war. Und er weinte über die Schande und
Nutzlosigkeit seines Verbrechens. Seine Gedanken waren wirr und
unzusammenhängend; er sagte ständig irgend etwas und
brach dann abrupt ab, aber der Sinn seines Gestammels war
unmißverständlich. >Ich hab den Alten umgebracht, hab
ihn so sicher umgebracht, als hätte ich selber
zugestochen<, sagte er immer wieder, >hab alles geplant und
die Stunden gezählt, bis er tot war. Ermordet hab ich ihn, hab
meinen
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