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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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1
    Der Sklave, der an
jenem für die Jahreszeit außergewöhnlich warmen
Frühlingsmorgen zu mir kam, war ein junger Mann von kaum mehr
als zwanzig Jahren.
    Für
gewöhnlich lassen meine Klienten durch die gemeinsten
Haussklaven nach mir schicken - schmutzige Malocher, Krüppel,
schwachsinnige Knaben, die nach dem Dung der Ställe stinken
und von den Strohresten in ihrem Haar niesen müssen. Es ist
gewissermaßen eine Frage der Etikette; wenn man sich um die
Dienste von Gordianus dem Sucher bemüht, wahrt man eine
gewisse Distanz und Zurückhaltung. Als ob ich leprös oder
Priester irgendeines unreinen orientalischen Kults wäre. Daran
bin ich gewöhnt. Es macht mir nichts aus - solange mein
Honorar pünktlich und vollständig gezahlt
wird.
    Der Sklave, der an
diesem speziellen Morgen vor meiner Tür stand, war jedoch sehr
sauber und makellos gewandet. Er hatte eine stille Art und ein
Benehmen, das zwar respektvoll, aber keineswegs unterwürfig
war - die Höflichkeit eben, die man von einem jungen Mann
gegenüber einem zehn Jahre älteren erwarten konnte. Sein
Latein war tadellos (besser als meins), und die Stimme, mit der er
es vortrug, klang melodiös wie eine Flöte. Kein
Stallknecht also, sondern ganz offenkundig der gebildete Diener
eines Herrn, der ihm zugetan war. Der Sklave hieß
Tiro.
    »Ich komme aus
dem Haushalt des hochgeschätzten Marcus Tullius Cicero«,
fügte er hinzu und hielt, den Kopf leicht geneigt, kurz inne,
um zu sehen, ob ich den Namen kannte. Das war jedoch nicht der
Fall. »Mit dem Auftrag, um deine Dienste nachzusuchen«,
sagte er noch, »auf Empfehlung von -«
    Ich nahm seinen Arm,
legte meinen Zeigefinger auf seine Lippen und führte ihn ins
Haus. Der brutale Winter war einem drückend heißen
Frühling gewichen; trotz der frühen Stunde war es bei
weitem zu warm, um ungeschützt auf der Türschwelle stehen
zu bleiben. Außerdem war es viel zu früh, dem Geplapper
dieses jungen Sklaven zu lauschen, egal wie melodiös seine
Stimme sein mochte. Meine Schläfen pochten wie grollender
Donner, und hinter meinen Augen zuckten spinnwebartige Blitze auf
und verschwanden gleich wieder.
    »Kennst du
zufällig ein Rezept gegen Kater?« fragte ich.
    Der junge Tiro
musterte mich verstohlen von der Seite, verwirrt über den
abrupten Themenwechsel und argwöhnisch ob meiner
plötzlichen Vertrautheit. »Nein, Herr.«
    Ich nickte.
»Vielleicht hattest du noch nie einen
Kater?«
    Er errötete
leicht. »Nein, Herr.«
    »Dein Herr
erlaubt dir keinen Wein?«
    »Doch,
natürlich. Aber wie er immer sagt, Mäßigung in
allen Dingen -«
    Ich nickte, und der
Schmerz ließ mich zusammenzucken. Die geringste Kopfbewegung
bereitete mir furchtbare Qualen. »Mäßigung in
allen Dingen, ausgenommen der Tageszeit, zu der er mir seine
Sklaven vorbeischickt, nehme ich an.«
    »Oh, Verzeihung,
Herr. Soll ich später wiederkommen?«
    »Das wäre
eine Verschwendung deiner und meiner Zeit. Von der deines Herrn
ganz zu schweigen. Nein, bleib nur, aber sprich nicht vom
Geschäft, bis ich es dir sage. Solange kannst du mir beim
Frühstück Gesellschaft leisten, im Garten, da ist die
Luft angenehmer.«
    Ich ergriff erneut
seinen Arm, führte ihn durch das Atrium, einen verdunkelten
Flur hinunter ins Peristylium im Zentrum des Hauses. Ich sah, wie
er erstaunt die Brauen hochzog, war mir allerdings nicht sicher, ob
ihn die Größe oder der Zustand des Gartens
überraschte. Ich war natürlich daran gewöhnt, aber
auf einen Fremden muß er wie der reinste Urwald gewirkt haben
- wildwuchernde Weidenbäume, deren herabhängende Ranken
das hoch aus dem staubigen Boden sprießende Unkraut
berührten; in der Mitte der vor Jahren ausgetrocknete Brunnen
mit der kleinen marmornen Pan-Statue, auf der die Zeit ihre Narben
hinterlassen hatte; der schmale, vom Wildwuchs ägyptischen
Schilfs überwucherte Teich, der träg und trüb durch
den Garten mäanderte. Die Anlage war schon verwildert, lange
bevor ich das Haus von meinem Vater geerbt hatte, und ich hatte
nichts zu ihrer Instandsetzung unternommen. Mir gefiel der Garten,
wie er war - ein Ort unkontrollierten Grüns verborgen inmitten
des ordentlichen Roms, ein stilles Plädoyer für das Chaos
angesichts gemauerter Ziegel und gehorsamen Buschwerks.
Außerdem hätte ich mir die Arbeitskräfte und
Materialien, den Garten in einen gepflegten Zustand zu versetzen,
nie leisten können.
    »Ich nehme an,
es ist schon etwas ganz anderes als das Haus deines Herrn.«
Ich setzte mich auf einen der
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