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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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Stühle, behutsam, um meinen Kopf
nicht zu erschüttern, und machte Tiro ein Zeichen, auf dem
anderen Platz zu nehmen. Ich klatschte in die Hände und
bereute es wegen des Lärms augenblicklich. Ich biß die
Zähne aufeinander und rief: »Bethesda! Wo steckt das
Mädchen bloß wieder? Sie wird uns jeden Moment das
Frühstück servieren. Deswegen mußte ich ja selbst
an die Tür kommen - sie war in der Speisekammer
beschäftigt. Bethesda!«
    Tiro räusperte
sich. »Es ist, ehrlich gesagt, viel größer als das
meines Herrn.«
    Ich stierte ihn leeren
Blicks an, mein Magen rumpelte jetzt mit meinen Schläfen um
die Wette. »Wie bitte?«
    »Das Haus, Herr.
Es ist größer als das meines Herrn.«
    »Überrascht
dich das?«
    Er schlug seinen Blick
nieder aus Angst, mich beleidigt zu haben.
    »Weißt du,
womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, junger
Mann?«
    »Nicht genau,
Herr.«
    »Aber du
weißt, daß es etwas nicht ganz Ehrenhaftes ist
-zumindest soweit es in Rom heutzutage überhaupt noch
Ehrbarkeit gibt. Aber nicht illegal - zumindest soweit der Begriff
der Legalität in einer Stadt, die von einem Diktator regiert
wird, noch eine Bedeutung hat. Meine geräumige Wohnstatt
überrascht dich also, ungeachtet ihres verfallenen Zustands.
Das ist völlig in Ordnung. Sie überrascht mich manchmal
selbst. Da bist du ja, Bethesda. Stell das Tablett hier ab,
zwischen mir und meinem unerwarteten, aber absolut willkommenen
jungen Gast.«
    Bethesda gehorchte,
allerdings nicht ohne einen verstohlenen Seitenblick und ein
leises, verächtliches Schnauben. Bethesda war selbst eine
Sklavin und fand es anstößig, daß ich mich mit
Sklaven gemein machte und sie, schlimmer noch, aus meiner
Speisekammer beköstigte. Nachdem sie den Tisch gedeckt hatte,
blieb sie vor uns stehen, als erwarte sie weitere Anweisungen. Das
war allerdings nur eine Pose. Für mich, wenn schon nicht
für Tiro, war es offensichtlich, daß sie
hauptsächlich daran interessiert war, meinen Gast näher
in Augenschein zu nehmen.
    Bethesda starrte also
Tiro an, der ihrem Blick offenbar auswich. Sie zog die Mundwinkel
zurück. Ihre Oberlippe wurde schmal und wölbte sich zu
einem feinen Bogen. Sie grinste.
    Bei den meisten Frauen
bedeutet ein Grinsen eine wenig anziehende Geste des Abscheus. Bei
Bethesda konnte man sich da nie so sicher sein. Ein Grinsen tat
ihrem dunklen und sinnlichen Charme keinen Abbruch. Im Gegenteil,
es konnte ihn manchmal erhöhen, und in Bethesdas
beschränkter, aber einfallsreicher Körpersprache konnte
ein Grinsen von einer Drohung bis zu einer unverhohlenen Einladung
fast alles bedeuten.
    In diesem Fall war es
meiner Vermutung nach eine Reaktion auf Tiros höflich
gesenkten Blick, eine Reaktion auf seine schüchterne
Bescheidenheit - das Grinsen, mit dem eine schlaue Füchsin ein
wohlgenährtes Kaninchen mustert. Ich hätte gedacht,
daß all ihr Hunger in der vergangenen Nacht gestillt worden
sei. Meiner war es jedenfalls.
    »Braucht mein
Herr sonst noch irgend etwas?« Sie stand da, die Hand in die
Hüfte gestützt, die Brüste vorgestreckt, die
Schultern zurückgezogen. Ihre Lider, von der Nacht noch immer
schwer geschminkt, hingen müde herab. Sie sprach mit dem
glutvollen, leicht lispelnden Akzent des Orients. Noch mehr Posen.
Bethesda hatte sich entschieden. Der junge Tiro war, Sklave oder
nicht, jemand, den zu beeindrucken sich lohnte.
    »Das wäre
alles, Bethesda. Du kannst gehen.«
    Sie neigte den Kopf,
wandte sich um und bahnte sich zwischen den herabhängenden
Weidenzweigen einen kurvenreichen Weg durch den Garten ins Haus.
Sobald sie uns den Rücken zugewandt hatte, schwand Tiros
Schüchternheit. Ich folgte seinem Blick, von dessen Ursprung
in seinen weitgeöffneten Augen bis zu seinem Brennpunkt
irgendwo direkt oberhalb von Bethesdas sanft wiegendem
Gesäß. Ich beneidete ihn um seine Bescheidenheit und
Schüchternheit, seinen Hunger, sein gutes Aussehen und seine
Jugend.
    »Wenn dir dein
Herr schon das Trinken verbietet, zumindest das exzessive«,
sagte ich, »erlaubt er dir wenigstens hin und wieder, eine
Frau zu genießen?«
    Die tiefe, lebhafte
Röte, die sich auf sein Gesicht legte, so blutrot wie ein
Sonnenuntergang über dem offenen Meer, traf mich
unvorbereitet. Nur die Jungen mit ihren glatten, weichen Wangen und
ihrer glatten Stirn können so erröten. Selbst Bethesda
war zu alt, um je wieder so zu erröten, falls sie
überhaupt noch in der Lage war, rot zu werden.
    »Vergiß
es«, sagte ich. »Ich habe kein Recht,
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