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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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seine rechte Hand zu mir zu senden. Ich fühle mich
geschmeichelt, auch wenn das gar nicht beabsichtigt war. Als
Zeichen meiner Dankbarkeit verspreche ich, niemandem zu
erzählen, daß Marcus Tullius Cicero sich zum Trottel
gemacht hat, indem er seinen besten Sklaven ausgesandt hat, um den
erbärmlichen Gordianus abzuholen, den Erforscher von
Misthaufen und Eindringling in Hornissennester. Das würde sie
mehr amüsieren, als Ciceros Name das je
könnte.«
    Tiro runzelte die
Stirn. Ich blieb mit der Spitze einer Sandale an einer Weidenwurzel
unweit des Ufers hängen, stieß mir den Zeh und
unterdrückte einen Fluch.
    »Du hast
recht«, sagte Tiro leise und klang sehr ernst. »Er ist
ziemlich jung, genau wie ich. Er kennt noch längst nicht all
die kleinen Tricks der juristischen Profession, die albernen Gesten
und leeren Förmlichkeiten. Aber er weiß, woran er
glaubt, und das ist mehr, als man von den meisten Anwälten
behaupten kann.«
    Ich betrachtete meinen
Zeh und war überrascht, daß er nicht blutete.
    In meinem Garten gab
es Götter, bäuerlich, wild und unzivilisiert wie der
Garten selbst. Sie hatten mich bestraft, weil ich einen jungen,
naiven Sklaven gehänselt hatte. Ich hatte es
verdient.
    »Loyalität
steht dir gut, Tiro. Wie alt genau ist dein Herr?«
    »Cicero ist
sechsundzwanzig.« - »Und du?«
    »Dreiundzwanzig.«
    »Beide ein wenig
älter, als ich geschätzt hätte. Dann bin ich nicht
zehn Jahre älter als du, Tiro, sondern nur sieben. Aber auch
sieben Jahre können einen Riesenunterschied machen«,
sagte ich und sinnierte über die Leidenschaft junger
Männer, die Welt zu verändern. Eine Welle der Nostalgie
erfaßte mich wie der leichte Luftzug, der durch die
Weidenblätter über unseren Köpfen raschelte. Ich
warf einen Blick auf den Teich und sah unsere Spiegelbilder im
Wasser, das in der Sonne glitzerte. Ich war größer als
Tiro, mit breiteren Schultern und auch um die Hüfte
kräftiger gebaut. Mein Kinn war ausgeprägter, meine Nase
platter und gebogener, und meine Augen waren kein bißchen
lavendelblau. Sie waren von einem dunklen römischen Braun. Bis
auf unsere ungebändigten schwarzen Locken hatten wir
anscheinend nichts gemeinsam, wobei meine von ersten grauen
Strähnen durchzogen wurden.
    »Du hast eben
Quintus Hortensius erwähnt«, sagte Tiro. »Woher
wußtest du, daß er dich Cicero empfohlen
hat?«
    Ich lachte leise.
»Das wußte ich nicht. Nicht sicher jedenfalls. Dein
erstaunter Gesichtsausdruck hat mir jedoch sofort bestätigt,
daß ich richtig lag. Und nachdem ich sicher wußte,
daß Hortensius mit der Sache zu tun hatte, war mir alles
klar.
    Laß mich
erklären. Einer von Hortensius’ Männern war vor
etwa zehn Tagen hier und hat mich wegen eines Falles ausgehorcht.
Der Typ, der immer kommt, wenn Hortensius meine Hilfe braucht - nur
der Gedanke an die Kreatur läßt mich erschaudern. Wo
finden Männer wie Hortensius bloß immer so abscheuliche
Gestalten? Warum landen sie am Ende immer alle in Rom, wo sie sich
gegenseitig die Kehle durchschneiden? Aber von dieser Seite der
juristischen Zunft wirst du natürlich nichts wissen. Noch
nicht.
    Wie dem auch sei,
dieser Mann von Hortensius kommt also zu mir. Stellt einen Haufen
unzusammenhängender Fragen und sagt mir nichts - große
Geheimniskrämerei, großes Getue, das übliche
Herumscharwenzeln, das diese Typen vom Stapel lassen, wenn sie
herauskriegen wollen, ob sich die Gegenseite mit dir wegen eines
Falls schon in Verbindung gesetzt hat. Sie denken immer, daß
der Feind eher da war und du trotzdem so tust, als wolltest du
ihnen helfen, um ihnen im letzten Moment in den Rücken zu
fallen. Ich vermute, das würden sie an meiner Stelle
tun.
    Schließlich
zieht er wieder seiner Wege und hinterläßt einen Gestank
im Foyer, den Bethesda nicht mit drei Tagen Schrubben wieder
auslöschen kann. Die beiden einzigen Hinweise darauf, wovon er
eigentlich geredet hat, waren der Name Roscius und die Stadt
Ameria. Ob ich ihn kennen würde oder schon einmal dort gewesen
sei? Roscius ist natürlich der Name eines berühmten
Komikers, einer von Sullas Lieblingskomödianten, wie jedermann
weiß. Aber den hatte er nicht gemeint. Ameria ist ein kleines
Städtchen oben im umbrischen Bergland, etwa fünfzig
Meilen nördlich von Rom. Außer der Landwirtschaft gibt
es wenig, was einen dorthin ziehen könnte. Also lautete meine
Antwort zweimal
nein.      
    Ein oder zwei Tage
verstrichen, und Hortensius’ Faktotum kam nicht zurück.
Mein
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