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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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dir so eine Frage
zu stellen. Nimm etwas von dem Brot hier. Bethesda backt es selbst,
und es ist besser, als man vermuten könnte. Ein Rezept von
ihrer Mutter aus Alexandria. Behauptet sie jedenfalls - obwohl ich
den Verdacht hege, daß sie nie eine Mutter gehabt hat. Und
obwohl ich sie in Alexandria gekauft habe, ist ihr Name weder
griechisch noch ägyptisch. Die Milch und die Pflaumen
müßten frisch sein, für den Käse kann ich
allerdings nicht garantieren.«
    Wir aßen
schweigend. Der Garten lag noch immer im Schatten, aber ich konnte
schon zum Greifen nahe, fast bedrohlich die Sonne spüren, die
sich über das bogenrandige Ziegeldach tastete wie ein
Einbrecher, der seinen Abstieg plant. Bis zum Mittag würde der
gesamte Garten von Licht durchflutet sein, unerträglich
heiß und hell, aber jetzt war es hier draußen noch
kühler als im Haus, das noch die Hitze des gestrigen Tages
speicherte. Plötzlich regten sich in einem Winkel des Gartens
die Pfauen; das größte der männlichen Tiere
stieß einen schrillen Ruf aus, stolzierte auf und ab und
präsentierte sein farbenprächtiges Gefieder. Tiro
erblickte den Vogel und fuhr, auf den Anblick unvorbereitet,
zusammen. Ich kaute und litt still unter dem stechenden Schmerz,
der gelegentlich von meinen Kiefern zu meinen Schläfen zuckte.
Ich warf einen Blick auf Tiro, dessen Aufmerksamkeit inzwischen von
dem Pfau zu der leeren Tür gewandert war, in der Bethesda eben
verschwunden war.      
    »Ist das das
Mittel gegen einen Kater, Herr?«
    »Was,
Tiro?«
    Er wandte sich mir zu.
Die völlige Unschuld seines Gesichts blendete mich mehr als
die Sonne, die plötzlich über dem Dach hervorbrach. Sein
Name mochte griechisch sein, aber mit Ausnahme seiner Augen waren
seine Züge klassisch römisch - die Stirn, Wangen und Kinn
sanft geschwungen, Lippen und Nase etwas zu stark ausgeprägt.
Aber es waren seine Augen, die mich wirklich faszinierten, eine
Schattierung von blassem Lavendelblau, wie ich sie nie zuvor
gesehen hatte und wie sie in Rom bestimmt nicht heimisch war - der
Beitrag einer Mutter oder eines Vaters, die man zu Sklaven gemacht
und von, die Götter wissen woher, ins Herz des römischen
Weltreichs gebracht hatte. Diese Augen waren viel zu unschuldig und
vertrauensselig, als daß sie einem Römer gehören
konnten.
    »Ist das das
Mittel gegen einen Kater?« wiederholte Tiro. »Morgens
eine Frau zu haben?«
    Ich lachte laut auf.
»Wohl kaum. Meistens sind sie Teil der Krankheit. Oder der
Ansporn zur Genesung, fürs nächste Mal.«
    Er betrachtete das vor
ihm aufgedeckte Essen und nahm sich höflich, aber ohne
Begeisterung ein Stück Käse. Offenbar war er selbst als
Sklave Besseres gewohnt. »Also Brot und
Käse?«
    »Essen hilft,
wenn man es im Magen behalten kann. Aber die einzig wahre Kur gegen
einen Kater hat mich vor fast zehn Jahren ein weiser Arzt aus
Alexandria gelehrt - ich war vermutlich ungefähr in deinem
Alter, und Wein war mir nicht fremd. Das Rezept hat mir seither
gute Dienste geleistet. Dieser Arzt vertrat die Theorie, daß
beim exzessiven Trinken bestimmte Säfte des Weines sich nicht
im Bauch auflösen, sondern wie giftige Gase in den Kopf
aufsteigen, wo sie den vom Hirn sekretierten Schleim
verhärten, so daß das Hirn anschwillt und sich
entzündet. Diese Säfte lösen sich im Lauf der Zeit
auf, und der Schleim wird wieder weich. Deswegen stirbt auch
niemand an einem Kater, egal wie furchtbar die Schmerzen sind, die
er zu erleiden hat.«
    »Dann ist die
Zeit das einzige Heilmittel, Herr?« 
    »Es gibt noch
ein schnelleres: Denken. Die konzentrierte Übung des Gehirns.
Laut meinem Freund, dem Arzt, findet das Denken im Hirn statt, und
es wird durch den abgesonderten Schleim geschmeidiger gemacht. Wenn
dieser Schleim nun verunreinigt oder verhärtet wird, bekommt
man Kopfschmerzen. Aber das eigentliche Denken produziert frischen
Schleim, der den alten aufweicht und ersetzt: je intensiver man
nachdenkt, desto größer die Schleimproduktion. Deshalb
beschleunigt intensive Konzentration den natürlichen
Heilungsprozeß nach einem Kater, indem es die Säfte aus
dem entzündeten Gewebe spült und die Befeuchtung der
Membranen wieder instandsetzt.«
    »Ich
verstehe.« Tiro sah skeptisch, aber beeindruckt aus.
»Klingt völlig logisch, wenn man die Prämisse
akzeptiert, die nicht bewiesen werden kann.«
    Ich lehnte mich
zurück und verschränkte, auf einer Brotkruste
herumkauend, die Arme. »Der Beweis ist die Heilung selbst.
Weißt du, ich
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