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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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gerne seine unsterblichen Überreste
untersuchen.«
    »Was für ein
Interesse könntest du an seiner Leiche haben?«
    »Es ist ein
Zeichen, nach dem ich suche. Vielleicht ist es ja das Zeichen der
Göttin, die ihn zu sich gerufen hat.«
    »Sein ganzer
Körper ist verdreht, alle Knochen sind gebrochen«, sagte
Caecilia. »Er ist so übel zugerichtet, daß man keine
einzelnen Wunden mehr erkennen kann.«
    »Aber ich habe
sehr scharfe Augen«, sagte ich und sah sie direkt an, ohne den
Blick von ihr zu wenden.
    Caecilia trat neben
mich, betrachtete mich von der Seite und gab schließlich
nickend ihr Einverständnis. »Ahausarus! Sag den
Mädchen, sie sollen Sextus Roscius’ Leiche in den Flur
bringen.« Der Eunuch öffnete die Tür und
schlüpfte ins Zimmer.
    »Sind sie stark
genug?« fragte ich.
    »Sie waren stark
genug, ihn die Treppe hoch durch die Flure bis in diesen Raum zu
tragen. Heute ist Vollmond, Gordianus. Die Macht der Göttin
beseelt sie mit einer Kraft, die sie jedem Mann überlegen
macht.«
    Kurz darauf gingen die
Türen des Heiligtums auf. Sechs Sklavinnen trugen eine Bahre
in den Flur und setzten sie ab. 
    Tiro gab ein
zischendes Geräusch von sich und wich zurück. Selbst
Rufus, der die Leiche bereits gesehen hatte, stockte beim Anblick
dessen, was von Sextus Roscius übriggeblieben war, der Atem.
Man hatte ihn völlig entkleidet. Das Tuch, auf dem er lag, war
blutdurchtränkt. Sein ganzer Körper war mit Prellungen
und Platzwunden übersät. Zahlreiche Knochen waren
gebrochen; an einigen Stellen ragten sie aus dem zerfetzten
Fleisch. Man hatte versucht, seine Gliedmaßen zu richten, aber
sein zertrümmerter Schädel war nicht zu verbergen.
Offenbar war er mit dem Kopf zuerst gelandet. Sein Gesicht war bis
zur Unkenntlichkeit entstellt, seine Schädeldecke war eine
Masse aus Blut und Schleim, die von Knochenfragmenten
zusammengehalten wurde. Unfähig, den Anblick zu ertragen,
wandte Tiro sich ab, und Rufus senkte den Blick. Caecilia betrachte
die Leiche ungerührt und ausdruckslos.
    Ich kniete nieder und
schob das zertrümmerte Kinn beiseite. Mit dem Finger fuhr ich
an seinem Hals entlang, an Blutergüssen und -klumpen, bis ich
ertastete, wonach ich gesucht hatte. »Rufus, sieh her, und du
auch, Tiro. Seht ihr die Stelle, auf die mein Finger zeigt, das
Loch in dem weichen Fleisch direkt unter dem
Kehlkopf?«
    »Sieht aus wie
eine Stichwunde«, meinte Rufus.
    »Ja«, sagte
ich, »wie von einem sehr spitzen, schlanken Gegenstand. Und
wenn wir ihn auf die Seite drehen - komm, Rufus, faß mit an -
werden wir, glaube ich, in seinem Nacken genau die gleiche Wunde
entdecken. Ja, da, seht ihr - direkt neben dem
Rückgrat.«
    Ich stand auf und
wischte meine blutigen Hände an einem Tuch sauber, das mir
eine der Sklavinnen reichte. Ich würgte einen Anfall von Ekel
herunter und holte tief Luft. » Eine eigenartige Wunde, meinst
du nicht auch, Caecilia Metella? So ganz und gar nicht in Einklang
zu bringen mit einem Sturz von einem Balkon und eine Treppe hinab.
Auch nicht die Art Wunde, die ein Messer hinterlassen würde.
Die Waffe scheint direkt durch den Hals gegangen zu sein -vorne
rein und hinten wieder raus oder umgekehrt, wer weiß? Ein so
spitzer, schlanker Gegenstand aus Metall, daß man den Hals
damit durchstoßen und ihn hinterher wieder herausziehen
konnte. Und eine so saubere Wunde, daß nur wenige Tropfen Blut
auf den Boden des Balkons gefallen sind. Sag mir, Caecilia, war
dein Haar schon offen, als du Sextus Roscius auf dem Balkon
getroffen hast? Oder war es noch mit einer dieser langen
Silbernadeln hochgesteckt, die du zu tragen
pflegst?«
    Rufus packte meinen
Arm. »Still, Gordianus! Ich hab dir doch gesagt, Caecilia war
den ganzen Abend nicht auf dem Balkon.«
    »Caecilia war
nach dem Sturz von Sextus Roscius nicht mehr auf dem Balkon. Aber
was war davor - als du dich zum Schlafengehen fertig gemacht hast
und Roscia noch schlummerte? Hat er dir seine Schuld dort auf dem
Balkon offen gestanden, Caecilia, oder hast du nur zufällig
etwas aufgeschnappt, was er im Rausch vor sich hingelallt
hat?«
    Rufus’ Griff
wurde fester, bis er zu schmerzen begann. »Sei still,
Gordianus! Caecilia war den ganzen Abend nicht auf dem
Balkon!«
    Ich riß mich los
und trat auf Caecilia zu. Sie blieb unerschüttert in ihrer
basiliskengleichen Haltung. »Doch wenn sie den ganzen Abend
nicht auf dem Balkon war, wie kommt es, daß ich dieses
merkwürdige Objekt auf der Brüstung gefunden habe?«
Ich hielt das Teilchen
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