Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
seinen Elan. Dann blickte ich ins Atrium und beobachtete
das Spiel des Mondlichts auf dem Sand. Ich atmete tief ein und
gähnte laut.
    »Morgen werde ich
mit Bethesda in mein Haus zurückkehren«, sagte ich.
»Wahrscheinlich sehe ich dich noch, vielleicht aber auch
nicht, falls du etwas für Cicero erledigen mußt. Es kommt
mir vor, als sei es lange her, daß du vor meiner Tür
gestanden hast - dir nicht auch, Tiro? -, dabei liegt es erst ein
paar Tage zurück. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, der
so viel Verwirrung mit sich brachte. Vielleicht hat Cicero wieder
mal einen Auftrag für mich, vielleicht auch nicht. Rom ist in
gewisser Hinsicht ein Dorf, aber möglicherweise sehe ich dich
auch nie wieder.« Ich mußte mich auf einmal
räuspern. Das war bestimmt der Mond, der mich sentimental
stimmte. »Vielleicht sollte ich es dir jetzt sagen, Tiro - ja,
hier und jetzt, wo es still ist und wir beide unter uns sind -, ich
wollte dir sagen, daß ich dich für einen wirklich
prachtvollen jungen Mann halte, Tiro. Ich sage das von Herzen, und
ich glaube, Cicero würde mir zustimmen. Du kannst dich
glücklich schätzen, einen Herrn zu haben, der so
große Stücke auf dich hält. Cicero ist vielleicht
manchmal etwas schroff, aber - Tiro?«
    Ich drehte mich um und
sah ihn inmitten der auf dem Boden verstreuten Schriftrollen leise
schnarchend auf der Seite liegen. Ich lächelte und ging
vorsichtig zu ihm. Schlafend im Zwielicht der Lampe und des Mondes
sah er wirklich aus wie ein Kind. Ich kniete mich neben ihn und
strich ihm über die glatte Stirn und sein dichtes krauses
Haar. Ich nahm ihm die Rolle ab, die er in der Hand hielt. Es war
die zerknüllte Abschrift von Euripides, die Sulla quer durch
das Zimmer geworfen hatte. Mein Blick fiel auf den
Schlußchor:
           
 
    Vielfache Gestalt hat
die göttliche Macht;
gar vieles erfüllt unerwartet ein Gott.
Doch was wir gewähnt, vollendet sich nicht.
Für Unglaubliches findet der Gott den Weg.
So endet diese Begegnis.

33
    Obwohl ich erst
spät ins Bett gekommen war, stand ich bereits am späten
Vormittag auf. Bethesda war schon lange wach und hatte meine
wenigen Sachen gepackt. Sie drängte mich beim Ankleiden und
belauerte mich wie eine Katze, als ich ein paar Bissen Brot und
Käse aß; sie wollte nach Hause.
    Während Bethesda
ungeduldig in der Sonne im Säulengang auf mich wartete, rief
mich Cicero in sein Arbeitszimmer. Tiro schliefe noch in seiner
Kammer, sagte Cicero, so daß er selbst eine Truhe mit Silber
und einen Beutel loser Münzen hervorkramte und mir mein
Honorar korrekt bis auf die letzte Sesterze vorzählte.
»Hortensius hat mir erzählt, es sei üblich, die
Kosten für die gewährte Unterbringung und Verpflegung
abzuziehen«, seufzte er, »aber davon wollte ich nichts
wissen. Statt dessen -« Er lächelte und legte noch
einmal zehn Denar dazu.
    Es ist nicht leicht,
einem Mann unangenehme Fragen zu stellen, der einem gerade ein
stattliches Honorar und einen erklecklichen Bonus bezahlt hat. Ich
schlug bescheiden die Augen nieder, während ich die
Münzen einsammelte, und sagte dann so beiläufig, wie ich
konnte: » Es gibt da noch ein paar Punkte, die mir
Rätsel aufgeben, Cicero. Vielleicht kannst du zu ihrer
Erhellung beitragen.« 
    »Ja?« Sein
nichtssagendes Lächeln konnte einen richtig wütend
machen.
    »Gehe ich recht
in der Annahme, daß du von Anfang an sehr viel mehr über
diesen Fall wußtest, als du mir erzählt hast? Daß
du möglicherweise sogar von der Proskription wußtest?
Daß du wußtest, daß Sulla irgendwie in die Sache
verwickelt war, und daß ein Mann, der in der ganzen
schmutzigen Affäre Nachforschungen anstellte, sich in
große Gefahr begeben würde?«
    Er zuckte mit seinen
schmalen Schultern. »Ja. Nein. Vielleicht. Wirklich,
Gordianus, ich hatte nur Andeutungen und Bruchstücke in der
Hand; keiner hat mir alles gesagt, was er wußte, genauso wie
ich dir nicht alles erzählt habe, was ich wußte. Die
Meteller haben gedacht, sie könnten mich benutzen. Und das
haben sie bis zu einem gewissen Punkt auch getan.«
    »Genau wie du
mich benutzt hast - als Köder? Um zu sehen, ob ein streunender
Hund, der seine Nase in die Roscius-Affäre stecken würde,
bedroht, angegriffen und vielleicht sogar umgebracht würde?
Und so war es denn ja auch.«
    Ciceros Augen blitzten
wütend auf, aber sein Lächeln war nicht zu
erschüttern.
    »Du bist
unversehrt aus der Sache herausgekommen,
Gordianus.«
    »Dank meines
wachen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher