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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero
Autoren: Steven Saylor
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und
musterte die kreischende Bande. Irgend etwas Bedrohliches muß
in meiner Miene gelegen haben, denn der mir am nächsten
stehende Junge wich zurück und wurde blaß, als ich Eco
sanft zur Seite schob. Einige der Jungen wirkten ängstlich,
andere mürrisch und zu einer Schlägerei
bereit.
    Ich griff in meine
Tunika, in der ich noch immer das Messer mit mir herumtrug, wie
jeden Tag, seit es der Junge mir gegeben hatte. Er glaubt, wir
bringen Gerechtigkeit, Tiro. Ich zog es hervor. Die Jungen rissen
die Augen auf und stolperten übereinander, als sie hastig die
Flucht ergriffen. Auf ihrem Rückzug hörte ich sie noch
lange lachen, kreischen und mit den Stöcken an den Wänden
entlangkratzen.
    Eco streckte die Hand
aus und griff nach dem Messer. Ich überließ es ihm. Auf
der Klinge waren immer noch ein paar Flecken von Mallius Glaucias
Blut. Eco sah sie und quiekte zufrieden.
    Er sah mich fragend an
und tat, als würde er mit dem Messer auf eine imaginäre
Person einschlagen. Ich nickte. »Ja«, flüsterte
ich, »deine Rache. Ich habe dich mit eigener Hand und deinem
Dolch gerächt.« Er starrte auf die Klinge und
öffnete die Lippen zu einem Ausdruck des
Entzückens.
    Mallius Glaucia war
einer der Männer gewesen, die seine Mutter vergewaltigt
hatten; jetzt war er tot, erstochen mit dem Dolch des stummen
Jungen. Was machte es, daß ich Glaucia nie getötet
hätte, wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte, nicht
einmal für den Jungen? Was machte es, daß Glaucia - der
schwerfällige, blutrünstige Koloß Glaucia - im
Vergleich zu den Rosciern nur ein Zwerg unter Riesen war? Oder
daß die Roscier nur Kinder auf dem Schoß von
Chrysogonus waren? Oder daß Sulla nur ein Fädchen in
einem goldenen und blutroten Intrigennetz war, das Familien wie die
Meteller seit Jahrhunderten gesponnen hatten, die durch ihre
unermüdlichen Verschwörungen mit Recht von sich behaupten
konnten, Rom zu dem gemacht zu haben, was es heute war? In ihrer
Republik konnte selbst ein stummer Betteljunge sich auf seine
römische Würde etwas einbilden, und der Anblick vom Blut
eines miesen kleinen Verbrechers auf seiner eigenen Klinge
ließ ihn vor Aufregung quieken. Hätte ich ihm Sullas
Kopf auf einem Tablett präsentiert, der Junge hätte nicht
zufriedener sein können.
    Ich griff in meine
Börse und hielt ihm ein Geldstück hin, aber er beachtete
es gar nicht, sondern umfaßte statt dessen sein Messer mit
beiden Händen und tanzte im Kreis. Ich steckte die Münze
wieder in meine Börse und wandte mich zum Gehen.
    Ich war erst wenige
Schritte gegangen, als ich stehenblieb und mich umdrehte. Der Junge
stand, den Dolch umklammert, still wie eine Statue und blickte mir
mit traurigen Augen nach. So standen wir lange und sahen uns an.
Schließlich streckte ich meine Hand aus, und Eco kam
angerannt.
    Hand in Hand gingen
wir durch die enge Gasse, die von Menschen wimmelnde Via Subura und
den schmalen Pfad den Hügel hinauf. Als wir das Haus betraten,
rief ich Bethesda zu, daß es noch ein hungriges Maul zu
stopfen gab.

Nachbemerkung
    Leser historischer
Romane, die aus Gewohnheit das Nachwort zuerst lesen, sollten
wissen, daß Das Lächeln des Cicero auch ein
Kriminalroman ist; einige für die Auflösung relevante
Punkte werden hier angesprochen, wenn auch nur indirekt. Caveat
lector.      
    Unsere wichtigsten
Quellen für das Leben des Sulla sind Plutarchs Biographie, die
charakteristischerweise voll ist mit Klatschgeschichten, Skandalen
und Hokuspokus - mit anderen Worten: eine amüsante
Lektüre -, und Sallusts Bellum Jugurthinum (Der jugurthinische
Krieg), der mit Kiplingschem Elan von Sullas afrikanischen
Abenteuern berichtet. Außerdem gibt es zahlreiche Hinweise in
den Schriften der zeitgenössischen republikanischen
Schriftsteller, vor allem bei Cicero, der offenbar nie müde
wurde, Sulla als Inbegriff der Lasterhaftigkeit im Kontrast zum
Standartenträger der Tugend (Cicero) darzustellen. Sullas
Autobiographie ist verschollen, Ursache manchen Bedauerns. Nach
allem, was wir über seinen Charakter wissen, ist es
unwahrscheinlich, daß sie so fesselnd wie Caesars Werke oder
so unbewußt enthüllend wie die autobiographischen
Schriften Ciceros war, aber sie war bestimmt lebendiger und
gebildeter als die unserer heutigen politischen
Führer.
    Was den Prozeß
des Sextus Roscius anbetrifft, liegt uns Ciceros Verteidigungsrede
vor. Es ist ein langer Text, den ich bis zu einem gewissen
Maß komprimieren und bearbeiten mußte, wobei ich
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