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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
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worden
wären. In Ra c a d a u ging es ohne Hörnerklang und Reden ab. Der Oberförster
schnappte sich die Italiener und zog mit ihnen nach rechts in den Hang.
Steinkamp, Schreiber und der Merresmisch stiefelten mit ein paar eingeborenen
Jägern nach lin ks. Die Treiberwehr blieb mit den Hunden am Treffpunkt
zurück. Einige trugen Flinten auf dem Rücken, zwei Männer hielten die Struppis
an Stricken. Vor Aufregung zitternd zerrten die Hunde an der Leine. Ihr Bellen
begleitete die Jäger auf dem Weg zu den Ständen.

    Hannes ging neben Steinkamp. Trotz seines Übergewichts
war der Senior erstaunlich beweglich im Schritt. Der Rumäne, der ihre Gruppe
anführte, sprach deutsch. »Es hat heute zwei Treiben«, erklärte der junge
Sachse im Steigen. »Wir wollen die Hänge über Ra c a d a u bejagen. Dreißig Stück Bärwild
können schon vorkommen.«

    Sie stiegen auf halbem Hang durch ein Altholz. Wo Licht
an den Boden drang, hatten sich Horste junger Buchen angesiedelt. Sie standen
brusthoch und reichten als Tagesversteck für Braunbären allemal.

    Ein Jäger nach dem anderen blieb zurück. Es gab keine
Hochsitze in diesem Wald. Die Männer setzten sich auf ihr Dreibein, falls sie
eins hatten, oder sie warteten an einen Baum gelehnt auf die Bären. Steinkamp,
Merres und Schreiber kamen zum Schluss an die Reihe. Zuerst Hubertus, der sich
vierzig Schritt von einem Jungbuchenbestand entfernt auf sein Höckerchen
niederließ. »Merres meint, sie werden die Bären auf die Italiener zutreiben«,
sagte er halblaut zum Abschied. »Die Spaghettis zahlen besser. Aber auf der
Jagd weiß man nie, wie’s läuft. Weidmannsheil.«

    Sechzig Schritt später gab der Ansteller Hannes ein
Zeichen. Schreiber sah sich um. Kein schlechter Platz, mitten im Altholz mit
viel Schussfeld rundum. Die beiden übrig gebliebenen Jäger zogen weiter. Der romsilva -Mann sah sich noch einmal nach
ihm um, ehe er auch den Merresmisch absetzte und dann allein weiterzog zu
seinem Stand nahe des Hügelrückens.

    Hannes richtete sich auf seinem Platz ein. Er holte das
schwedische Dreibein aus dem Rucksack, hängte das Glas um und lud die Waffe.
Eine Patrone stopfte er in den Lauf. Klatschend schloss sich die Kammer. Zwei
Patronen steckte er ins Magazin und schob es von unten ins Schloss. Er
schaltete den Rotpunkt an seinem Visier ein, ging in Anschlag und schaute
hindurch. Der Leuchtpunkt stand klein und scharf in der Glasscheibe. Bevor er
sich setzte, sah er nach rechts und links zu seinen Nachbarn. Ihre orangefarbenen
Hutbänder leuchteten wie seins. Steinkamp, Merres und Schreiber winkten sich
zu, um zu signalisieren, dass sie wussten, wo die anderen saßen, und nicht in
ihre Richtung zu schießen gedachten. Ein Ritual, das neben der Sicherheit auch
der Verbundenheit der Jäger diente. So empfand es Schreiber jedenfalls.

    Er saß auf seinem Hocker, entsicherte die Browning und
wartete. Dies war ein völlig anderes Ballspiel als das Abknallen der Bären vom
Hochsitz an der Fütterung. Klar, der Jäger hielt auch hier die besseren Karten,
weil er auf Distanz töten konnte und der Bär nicht. Aber was nützte die
modernste Waffe, wenn man nicht traf? Oder schlecht traf? Bären nahmen einen
schlechten Schuss oft übel und stellten den Verursacher der Schmerzen auf ihre
Art zur Rede: mit Prankenhieben.

    Er steckte sich eine Zigarette an. Sicher war es vernünftig,
die Bären von Ra c a d a u zu erlegen. Selbst Vandra vom Wildforschungsinstitut
hielt es für unvermeidlich, und dabei war Ovidiu kein Jäger. Die Lage im Tal
war explosiv. Weil es jahrelang gut gegangen war, hatten Menschen und Bären den
Respekt voreinander verloren. Die Zweibeiner verwechselten die Petze mit
Kuscheltieren, die Bären hatte der Abfall kirre gemacht. Es gab Tote und Verletzte.

    Dabei verhielten sich die Bären von Ra c a d a u
im Grunde nicht anders als ihre Vettern in Alaska. Wenn dort der Lachs die
Flüsse hochzog, fanden s ich die Einzelgänger im Dutzend an den Ufern ein
und fraßen, bis der Futterstrom versiegte. Das fanden die Menschen klasse. Sie
beobachteten das Schauspiel live aus sicheren Käfigen oder fasziniert vorm
Fernseher.

    Was dem Grizzly der Lachs, war dem Karpatenbären der
Müll: leicht erreichbare Beute. Bären waren Allesfresser und Opportunisten, sie
gingen dorthin, wo das Leben leicht war. Darin unterschieden sie sich von den
Menschen nicht. War es nicht die Aussicht auf ein leichteres Leben, die die
Siebenbürger Sachsen nach Ceausescus Hinrichtung
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