Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
Vom Netzwerk:
Schatten ein Tisch und ein paar Stühle warteten. Die Erbsen aus ihrer
Schürze ließ sie in einen kleinen Eimer rieseln, bevor sie sich setzte.

    Schreiber überließ Katharinas Disi das Reden. Sie tat es
in ihrer Mundart, von der er immer noch kein Wort verstand. Auf der Sprachinsel
Siebenbürgen, weit weg vom deutschen Festland, umgeben von einem Meer aus
Rumänisch und Ungarisch, hatte das Moselfränkische der deutschen Siedler die
Jahrhunderte überdauert. Hannes fand das schön und verstand plötzlich die
Einwanderer daheim, die an ihren Sprachen und Sitten festhielten.

    Sara Orend riss ihn aus dem Gegrübel. »Die Rosa kennt den
Mann«, sagte sie. »Er war der Sohn des letzten Hann von Schirkanyen.«

    Schreiber wusste nicht, was ein Hann war.

    »Der Hann ist der Ortsrichter bei uns Sachsen. Er wurde
immer für zwei Jahre gewählt. Was er sagte, war das Gesetz im Dorf. Man nahm
den tüchtigsten Wirt zum Hann. Den besten Bauern«, erklärte sie auf Schreibers
fragenden Blick. »Dieser Sohn muss ein ganz ein kluger Bursche gewesen sein, dass
die Kommunisten ihn studieren ließen, trotzdem sein Vater Großbauer war.«

    »Weiß sie, wo er hingegangen ist in Deutschland?«

    Sara fragte ihre Landsfrau auf Sächsisch. Die Alte
schüttelte den Kopf und sagte einen Satz, der Hannes elektrisierte. Er verstand
nur den Namen, der darin vorkam.

    »Sie weiß es nicht«, sagte Sara, »er hat keinen Kontakt
mehr zur Heimat.«

    »Hab ich mich gerade verhört oder heißt der Mann Merres?«

    »Das ist der Hofname. Bei uns Sachsen hat jeder Hof einen
Namen. Nach dem Hof nennt man die Leute. Der Merresmisch ist der Michael vom
Merreshof.«

    »Und wie heißt er richtig?«

    »Hermannstädter«, sagte Rosa Hermannstädter.

    »Sind Sie verwandt?«

    Sara Orend lächelte über Schreibers Frage. »Die Burschen
durften bei uns früher nur ein Mädchen aus dem Dorf heiraten. Wenn das lange
genug geht, sind nachher alle verwandt.«

    »Er ist mein Cousin zweiten Grades.« Die alte Sächsin sah
den Reporter an. »So ein lieber Junge. Ich tät ihn gern noch mal in den Arm
nehmen, den Misch. Ehe sich der Herrgott wieder an mich erinnert.«

     

33

    Die Villa Diana hatte sich verändert seit Schreibers letztem
Besuch. Er sah es schon von Weitem. An einem Mast, den er bisher übersehen
hatte, flatterte eine Fahne im Abendwind. Zum Glück war es keiner von den
schwarz-rot-goldenen Lappen, die neuerdings jedes zweite Schrebergartenhäuschen
zierten. Steinkamp stand in gelben
Lettern auf grünem Tuch, das Signet der Schuhfirma. Hannes musste grinsen. Das
Selbstbewusstsein des alten Hubertus schien ungebrochen. Mochte die Villa auch
Diana heißen. Wenn der Chef da war, wurde die Fahne gehisst.

    Der Senior hockte auf einem Bänkchen vor der Hütte. Wie
manche Jäger seines Alters hatte Steinkamp eine Schwäche für alpine Oberbekleidung.
Er trug eine speckige Lederhose, die an den Knien endete. Die Hosenträger erinnerten
an Pferdehalfter. Steinkamps Füße steckten in Haferlschuhen. Natürlich durfte
der Gamsbart am Filzhut nicht fehlen. »Weidmannsheil und Horrido!«, rief der
Alte, als Schreiber aus dem Auto stieg.

    Hannes bekämpfte seine Anspannung mit einem Spruch. »Auf
dem Palais Underberg hissten sie früher auch eine Fahne, wenn der
Magenbitterkönig zu Hause war«, sagte er mit Blick auf Steinkamps Wimpel. »Die
Leute vom Niederrhein sagten: ›Wenn dä Lappen drussen is, is dä Lump drin.‹«

    Er hatte richtig kalkuliert. Der alte Steinkamp lachte
sich schlapp. »So gefällst du mir besser, Herr Schreiber«, frotzelte er zurück.

    Hannes setzte sich zu seinem Duzfreund auf die Bank und
streckte die Beine aus.

    »Misch«, brüllte der Alte. Merres steckte den Kopf zum
Fenster heraus. »Bring uns mal zwei Ursus. «

    Dreißig Sekunden später brachte der Sohn des letzten
Hanns von Schirkanyen das Bier. Schreiber stieß mit Steinkamp an, nahm einen
Schluck aus der Pulle und beobachtete den Mann, der sie gebracht hatte. Wie
Mörder aussahen, wusste er nach etlichen Crimestories fürs Magazin sehr genau: wie du und ich. Es war sinnlos, in Michael Hermannstädters
Gesicht nach harten Zügen um die Mundwinkel oder finster verschatteten Augen zu
forschen. Hannes ließ es bleiben und erkundigte sich lieber nach der Jagd am
nächsten Tag. »Es geht also auf die Müllbären von Ra c a d a u.«

    »Ja, die Jungs von romsilva wollen endlich aufräumen mit der verfressenen Bande.«

    Schreiber hob die Rechte, rieb Daumen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher