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1226 - Das Versteck

1226 - Das Versteck

Titel: 1226 - Das Versteck
Autoren: Jason Dark
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Es war kein Ausweichen auf der schmalen Straße möglich. Wir mussten zurückfahren.
    Der Sarg wurde von vier Männern getragen. Auf eine gewisse Art und Weise sahen sie altmodisch und makaber zugleich aus. Schwarze Kle idung, auf den Köpfen Zylinder die wirkten wie gekappte Schornsteine, aus denen kein Rauch mehr quoll. Gesichter, die wie aus Holz geschnitzt wirkten.
    Ich legte den Rückwärtsgang ein, drehte mich auf meinem Fahrersitz halb nach links und fuhr langsam wieder zurück.
    Wo hier der Friedhof lag, hatten wir auf der Herfahrt nicht gesehen. Wir wussten nicht mal, wie das Kaff jenseits der Brücke hieß, das irgendwo zwischen Inverness und Aberdeen lag, weltabgeschieden und versteckt in den schottischen Highlands.
    Der Range Rover, ein Leihwagen, ließ sich gut lenken. Aber ich musste schon Acht geben, in der Spur zu bleiben. Eine Ausweichmöglichkeit entdeckte ich auch jetzt nicht, und Suko war der gleichen Meinung, deshalb bat er mich, anzuhalten.
    »Und dann?«, fragte ich.
    »Möchte ich gerne schauen, ob es eine Möglichkeit für uns gibt. Dazu muss ich erst aussteigen.«
    Es war vielleicht ganz gut, wenn Suko Ausschau hielt, und so stoppte ich.
    Mein Freund verließ den Wagen. Der Leichenzug näherte sich wie ein langer Wurm aus trauernden Menschen unserem Wagen.
    Ich konzentrierte mich wieder auf den Innenspiegel und auch auf die Rückspiegel und sah Suko, wie er mit beiden Händen winkte und mir so bekannt gab, dass ich zurückfahren sollte.
    Weit brauchte ich nicht zu fahren, denn schon nach einigen Metern deutete Suko nach rechts, weil er da wohl eine Stelle entdeckt hatte, an der ich anhalten konnte, ohne dabei in den Graben zu fahren.
    Der Range Rover rollte sehr langsam. Ich vernahm sogar das Knirschen der Reifen auf dem Untergrund und merkte auch, dass die beiden Reifen an der Fahrerseite leicht rutschten, aber nicht soweit, dass sie in den Straßengraben glitten.
    Als ich schließlich den Motor abstellte, schimmerten auf meiner Stirn Schweißperlen, aber ich hatte es geschafft und atmete zunächst tief durch.
    Suko öffnete die Tür und streckte den Kopf in den Wagen.
    »Willst du im Auto bleiben?«
    »Nein, nein, ich steige schon aus.«
    »Okay.«
    Ich kletterte nach draußen und stellte mich vor die Motorhaube, wo auch Suko schon wartete.
    Ein Trauer- oder Leichenzug ist ja nichts Besonderes. Überall auf der Welt werden auf diese Art und Weise Menschen von den noch lebenden Freunden, Verwandten und Bekannten zu Grabe getragen.
    Ob der Platz breit genug war, um zunächst die vier Sargträger vorbeizulassen, war nicht genau zu erkennen. Es sah jedenfalls nicht gut aus, und ich hoffte auch nicht, dass die Hälfte der Mannschaft im Graben weitermarschieren musste.
    Es war einfach gespenstisch, und mich durchströmte kein gutes Gefühl. Den Grund kannte ich nicht, denn so eine Beerdigung war etwas völlig Normales. Dennoch hatte ich meine Probleme damit. Alles wirkte auf mich irgendwie aufgesetzt, und dazu konnte auch die Umgebung beitragen.
    Schottland!
    Mir schoss der Begriff durch den Kopf: Man konnte dieses Land lieben, aber auch hassen. Touristen, die herkamen und es durchfuhren oder durchwanderten, liebten es. Dass es im Sommer oft regnete und Nebelschwaden durch die Täler zogen, wie aus dem Jenseits entlassene Botschafter, machte ihnen nichts aus. Auch nicht die oft schmalen Straßen, auf denen manchmal nur ein Fahrzeug Platz hatte und bei Gege nverkehr bis zu eingebauten Ausweichstellen vor- oder zurückgefahren werden musste, aber es gab ein Schottland, mit dem keine Ehre eingelegt werden konnte. In den einsamen Tälern lebten die Menschen oft vor sich hin wie schon seit Generationen, und Fremden gegenüber hatte sich das Misstrauen gehalten.
    Wir waren durch einen Wald gefahren, hatten eine Brücke überquert und schauten nun in den kleinen Ort hinein, der von Hügelketten eingeschlossen war, sodass es am Abend ziemlich früh dunkel wurde und die Flügel der Dämmerung auch diesen kleinen Ort schnell erfassten.
    Aber das war es nicht, was mich störte. Ich konnte den Grund meines Gefühls nicht beschreiben. Okay, es war eine Ahnung, dass irgendetwas hier nicht normal ablief. Es hing nicht mit den äußerlich sichtbaren Tatsachen zusammen, hier schwebte etwas unter der Oberfläche, und der Blick auf den Ort konnte mir auch keine Freude bringen. Alles kam mir noch düsterer vor.
    Die Hitze war verschwunden. Allerdings hatte es noch nicht geregnet. Nur die feuchte Luft war über das
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