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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
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Zeigefinger
aneinander und sah Hubertus fragend an.

    »Sagte ich nicht, dass du eingeladen bist? Oder nimmst du
von mir nix an?«

    »Jagd ist die vornehmste Form der Bestechung«, sagte
Hannes. »Wenn schon korrupt, dann stilvoll.« Er hatte nicht vor, einen Bären zu
schießen, weder auf Steinkamps Rechnung noch auf seine eigene. Er überlegte,
wie er den Alten zu einem Abendspaziergang animieren könnte, um unbelauscht mit
ihm über sein Faktotum reden zu können. Der Merresmisch nahm ihm die Arbeit ab.

    »Ich muss noch mal runter nach Za rnesti, Chef«, sagte er im Vorbeigehen. »Wir haben keine
Butter mehr. Bier ist im Kühlschrank.« Er warf den Dacia an und kurvte auf dem
Schotterweg davon. Schreiber sah ihm nach, bis die Staubfahne ve rschwunden
war.

    »Wie bist du eigentlich an den Merres gekommen, Hubert?«

    »Wieso fragst du? Gefällt er dir nicht?«

    Schreiber zuckte mit den Schultern. »Ein bisschen gewöhnungsbedürftig,
der Mann. Als Begrüßungsessen haben wir Palukes gegessen. Aus einer Schüssel.
Ich war froh, dass er mir wenigstens einen eigenen Löffel gegeben hat. Aber da
dachte er auch noch, ich wäre Dianas Mann. Irgendein überkandidelter
Journalist, der lieber verhungert, als mit ihm aus einem Pott zu löffeln.«

    Steinkamp nahm einen Hieb Ursus und stellte die leere Flasche auf dem Boden ab. »Merres ist
eine treue Seele. Ich hab ihn in Wild und
Hund gefunden, unter Stellenmarkt. Förster
aus Siebenbürgen sucht neuen Wirkungskreis, oder so. Ich hatte damals
gerade ein Hochwildrevier im Sauerland gepachtet. Dafür brauchte ich einen
Jagdaufseher. Und als ich vor ’nem Jahr diesen Schuppen in Ma gura an Land gezogen habe, war
Merres natürlich Gold wert. A nfangs hat er sich geziert, nach Rumänien
zurückzugehen. ›Da kriegen mich keine zehn Pferde mehr hin, Chef.‹ Aber dann
ist er doch mitgekommen. Auf Merres ist Verlass.«

    »Wie lange arbeitet er schon für dich?«

    »Zwanzig Jahre.«

    »Lange Zeit«, sagte Hannes. »Hat er dir gesagt, warum er
aus Rumänien weg ist?«

    »Er ist mit den Kommunisten nicht zurechtgekommen.
Genaues weiß ich nicht. Merres ist kein Mann, der viel von sich erzählt.«

    »Den Eindruck hab ich auch.«

    Steinkamp sah Schreiber von der Seite an. »Bevor du mir
erzählst, was du von ihm weißt, hol ich uns noch ein Ursus. « Er hüpfte auf die Beine, verschwand in der Hütte und
tauchte mit zwei Flaschen wieder auf. Hannes ließ ihn die Kronkorken weghebeln,
bevor er loslegte.

    »Es fängt damit an, dass er nicht Merres heißt, sondern
Hermannstädter.« Er erzählte Hubert, was er von der alten Sächsin in
Schirkanyen erfahren hatte.

    »Na gut«, sagte Steinkamp, »das sind lässliche Sünden.«

    »So seh ich das auch.« Er trank einen Schluck. »Es geht
mir auch nicht um Sünden. Aus der Kirche bin ich lange raus. Mich interessieren
Motive. Und dein Merresmisch hatte allen Grund, den Forstamtsleiter von Brasov
zu hassen.«

    Steinkamp, der gerade die Flasche am Mund hatte, setzte
sie ruckartig ab. Ein Schluck Bier schwappte auf seine Lederhose. »Ich hoff, du
weißt, wovon du redest, Wattenscheider«, sagte er.

    »Ich denke schon. Ich rede von Mord.« Schreiber begann
mit der Geschichte von Michael Hermannstädter, Ion Hulanu, Nicolae Ceausescu
und der erfolglosen Bärenjagd. Er hielt sich an das, was Ovidiu ihm erzählt
hatte, und widerstand der Versuchung, die Story hochzujazzen. Er saß
schließlich nicht in der Konferenz des Magazins, wo sich die Themen meist viel toller anhörten, als sie nachher geschrieben
standen.

    Steinkamp hörte zu. Er stellte keine Zwischenfragen und
schwieg, als Hannes mit der Geschichte durch war, noch ein paar Minuten. »Verstehen
könnt ich ihn ja«, sagte er dann.

    »Ich auch.«

    Sie tranken in Ruhe ihre Flaschen leer.

    »Und nun?« Hubertus sah Hannes von der Seite an.

    »Ich dachte, du hättest ’ne Idee. Schließlich kennst du
den Mann ein paar Tage länger als ich.«

    »Je länger ich nachdenke, desto klarer wird mir, wie
wenig ich von ihm weiß. Merres ist keiner von uns, Hannes. Der trägt sein Herz
nicht auf der Zunge wie die Leute im Ruhrpott. Ein Rumäne ist er auch nicht.
Die reden dir nach dem Mund, und wenn du dich umdrehst, machen sie, was sie
wollen. Merres sagt wenig und tut genau das, was du ihm sagst. Ein guter Jäger
ist er auch, keiner von den Hochsitzhockern. Beim Pirschen bringt der dich auf
fünfzig Schritt an einen Hirsch. Oder er ruft ihn mit der Muschel. Es gibt
nichts
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