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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
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die Jungbären erlegt, um keine führungslosen
Waisen zu riskieren, und dann die Bärin. Seine Schießleistung war
bewundernswert. Drei Bären in wenigen Sekunden mit einem normalen Repetierer
sauber zu treffen, dazu gehörte einiges. Freude über die Triplette seines
Nachbarn kam bei Hannes dennoch nicht auf. Dazu taten ihm die Bären zu leid.

    Zeit, sich über seine gemischten Gefühle klar zu werden,
blieb ihm nicht. Der nächste Bär stob aus den Himbeeren, fast doppelt so groß
wie das Weibchen, das tot im Buchenlaub lag. Mit Riesensätzen raste er auf
Merres zu. Der Sachse griff gerade hinter sich in den Rucksack, um sein leer geschossenes
Magazin zu füllen. Er hörte den Bären kommen, bevor er ihn sah, riss die Waffe
herum und beschoss ihn von vorn. Der Bär brüllte auf, als ihn die Kugel traf.
Aber sie stoppte ihn nicht. Zwei, drei Sätze, und er rannte tief geduckt in den
Jäger hinein. Merres schrie.

    Wie von selbst flog der Schaft der Browning an Schreibers
Schulter. Der rote Punkt des Visiers landete auf dem Knäuel, in das sich Merres
und der Bär verwandelt hatten. Hannes konnte nicht schießen, ohne den Jäger zu
treffen. Nach ein paar Sekunden ließ der Bär von Merres ab. Er stand auf allen vieren
schräg neben seinem Gegner und brüllte. Merres blieb liegen. Mit zitternder
Hand schwenkte Hannes den Lauf ein Stück nach links. Der Rotpunkt wackelte auf
der Schulter des Bären. Er drückte ab. Den Knall an seinem Ohr hörte er kaum.
Er starrte auf den Bären. Nichts geschah. Das riesige Tier stand bewegungslos
wie sein eigenes Denkmal. Wieder drückte Schreiber den Abzug. Er sah, dass die
Wucht des Geschosses den Bären ins Wanken brachte. Er taumelte zwei, drei
Schritte zur Seite und fiel dann steifbeinig um. Hannes sprang auf und rannte
rüber zu Merres. Hinter sich hörte er Steinkamp rufen.

    Der Sohn des letzten Hanns von Schirkanyen sah schrecklich
aus. Der Bär hatte seinen Skalp abgerissen. Er hing an einem Hautfetzen über
seinem rechten Ohr. Die Schädeldecke lag frei. Ein Fangzahn hatte ein
kreisrundes Loch nahe der Schläfe hinterlassen. Aus einem Riss im Ärmel seiner
Jacke ragte das abgebrochene Ende des Oberarmknochens. Merres verlor viel Blut.
Er lag mit offenen Augen im Laub, bleckte die Zähne und schnaubte schnell durch
die Nase.

    Schreiber wurde schlecht beim Blick auf die blutenden
Wunden. Er fiel auf die Knie und würgte das Frühstück aus. Steinkamp schob ihn
beiseite. »Bleib ruhig liegen, Merres«, sagte er, zog sein Jagdmesser aus der
Gürtelscheide und schnitt den zerfetzten Ärmel auf. Aus der Arterie pulste das
Blut. Steinkamp zog den Gürtel aus seinem Hosenbund und versuchte, den Oberarm
damit abzubinden. Der Blutstrom ließ nach, aber er versiegte nicht. Das Gesicht
des Sachsen war weiß wie die Wand. In den Falten seiner Stirn stand Blut. »Lass
mich in Ruhe, Chef«, flüsterte er. »Es ist vorbei.« Steinkamp sah Hannes ratlos
an.

    Der romsilva -Sachse,
der sie angestellt hatte, tauchte auf. Er hielt das Gewehr schussbereit, als ob
er Merres den Fangschuss geben wollte, aber es war wegen der Bären. Das Treiben
war noch nicht vorbei. Im Gegenhang fiel ein einzelner Schuss. Ein Hund heulte
auf.

    Hannes hatte den Hut verloren. Es wäre ihm nicht aufgefallen,
wenn der Ansteller ihn nicht so gemustert hätte. Er sah sich um. Zwanzig Meter
weg leuchtete das Warnband auf dem Waldboden.

    Der Sachse ließ kein Auge von ihm. »Du warst dabei, als
der Deutsche mit dem Kopftuch die Fütterung vergiftet hat«, sagte er. »Ich hab
euch beide vom Hochsitz aus beobachtet.«

    »Richtig.« Schreiber war viel zu erregt, um zu lügen. »Aber
ich bin nicht sein Komplize. Ich bin nur ein Reporter, der darüber einen
Artikel schreiben soll. Und euren Chef erschossen hat der Mann auch nicht.«

    Hannes wandte sich Merres zu. »Herr Hermannstädter«,
sagte er, »hören Sie mich?« Der Merremisch nickte kaum merklich. »Können Sie
sprechen?«

    »Ja«, flüsterte er.

    »Jemand anderes sitzt für den Mord an Hulanu im Knast.
Eine junge Biologin aus Wolkendorf. Sie ist Sächsin, Herr Hermannstädter.«

    Merres verzog das Gesicht und begann zu weinen. Schreiber
hatte Schrecklicheres nie gesehen. Er zwang sich, Merres in die Augen zu
schauen. Nur in die Augen. Nicht auf den blutverschmierten Schädelknochen mit
dem Loch bei der Schläfe. Nicht auf die Kopfschwarte, die über seinem Ohr hing.
Nicht auf den gebrochenen Arm. »Sie haben Hulanu erschossen, Merres«, sagte er.
»Weil er
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