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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder
Autoren: Werner Brorsen
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1
    Timm Thode hockt in seiner Bodenkammer. Vorsichtig schiebt er die Gardine ein Stück beiseite, blickt lauernd auf den Innenhof hinunter.
    „Wo is de fuule Sack? He schall mi helpen!“ Das ist Cornils, der Bruder. Er belädt einen Ackerwagen mit Steinen. Ist wütend auf Timm, der ihm dabei helfen sollte und sich wieder einmal vor der Arbeit drückt.
    Nervös saugt Timm an seiner Zigarette, benutzt eine Blechdose als Aschenbecher. Weiß er doch, dass der Alte fuchsteufelswild wird, wenn er ihn beim Rauchen erwischt, während die Brüder ihrer Arbeit nachgehen.
    Jetzt entdeckt er Martin und Reimer. Sie überqueren, jeder einen Dreschflegel in der Hand, den Hof. Suchend schauen sie sich um. Timm duckt sich impulsiv. Auch sie haben ihn auf dem Kieker, hassen ihn ob seiner Faulheit. Kopfschüttelnd betreten sie die Groot-Deel, wo der Roggen gedroschen wird.
    Johann, der 21-Jährige, spannt zwei Pferde vor den offenen Landauer. Vater und Mutter steigen ein. Timm hat erfahren, dass sie, gemeinsam mit den Nachbarn Jakob und Hanne Schwarzkopf, beim Bauern Starck auf dem Beidenflether Riep zu Kaffee und Abendbrot eingeladen sind. Johann zieht die Zügel an, schwingt die Peitsche, das Gefährt rumpelt vom Hof.
    Timms Lippen verziehen sich zu einem bösartigen Grinsen. Die Gelegenheit ist da. Alle sind hübsch verteilt.
    Er schleicht aus dem Haus und in die Scheune. Ergreift dort eine Handspake, prüft das Gewicht der etwa acht Kilo schweren, aus Eschenholz gefertigten Keule, die zum Stampfen des Bodens benutzt wird.
    Martin kommt mit einem Bund Stroh auf die Scheune zu. Timm versteckt sich hinter einer Pyramide aus Strohballen, lässt den 24-Jährigen vorbeigehen. Schlägt von hinten zu. Martin stürzt zu Boden, gibt noch einige Laute von sich. Timm zertrümmert ihm den Schädel, durchwühlt seine Taschen, nimmt Martins Geldtasche und seine Silberuhr an sich.
    Nach knapp zwanzig Minuten nähert sich Reimer der Scheune, ebenfalls mit einem großen Bund Stroh. Für den 14-Jährigen reicht ein Schlag mit der mörderischen Spake. Lautlos sinkt er zu Boden. Stirbt.
    Die Leichen versteckt Timm unter Strohballen. Gelassen geht er über den Hof in Richtung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes.
    Cornils kommt ihm entgegen, tadelt ihn wegen seiner Drückebergerei. Doch Timm winkt ab, bittet den Bruder, das letzte Stroh aus der Groot-Deel in die Scheune zu schaffen.
    Cornils zögert, will sich von Timm, dem verachteten Faulpelz und Bettnässer, nichts auftragen lassen.
    „Martin hett dat seggt“, betont Timm mit Nachdruck. Das wirkt, denn Martin, der älteste der Thode-Brüder, vertritt den Vater, wenn dieser abwesend ist.
    Missmutig begibt sich Cornils zur Groot-Deel. Wenige Minuten später betritt er, schwer beladen mit den letzten Strohgebinden, die Scheune. Timm versucht, die Handspake hinter seinem Rücken zu verstecken. Doch Cornils hat sie bereits entdeckt. Nichtsahnend scherzt er: „Na, wo sünd de Zigeuners?“ Denn am Mittagstisch war von einer Gruppe junger Männer die Rede, die sich seit Wochen in der Wilstermarsch herumtreiben und denen man den Diebstahl von sieben Hühnern und fünf Kaninchen zuschreibt.
    Als Timm die Keule erhebt, erblasst Cornils. „Oh Gott! Wat wullt du denn?“, stößt er hervor. Versucht dem Schlag auszuweichen, der seine linke Schulter trifft. Wankend flieht er ins Innere der Scheune. In wenigen Sekunden hat Timm ihn eingeholt, versetzt ihm vier, fünf weitere Schläge gegen den Kopf und schleift die grausam zugerichtete Leiche zu den anderen.
    Er hetzt zur Pumpe hinter dem Kuhstall, wäscht die blutigen Hände, schleicht in seine Kammer, wechselt Jacke und Hose, stopft die verschmutzte Kleidung unters Bett.
    Die ihm zugewiesene Tagesarbeit fällt ihm ein. Er darf sie nicht vernachlässigen. Das würde auffallen und könnte seinen Plan durchkreuzen. Er macht sich ans Füttern der Schweine.
    Mit einem Spaten geht er anschließend zum nahen Stördeich und vergräbt dort Martins Uhr und dessen Geldtasche, die er zuvor geleert hat.
    Anschließend setzt er sich mit seiner Schwester Anna und dem Dienstmädchen Abel zum Abendessen an den Küchentisch.
    2
    Der riesige Eichentisch, an dem bis zu vierzehn Personen Platz finden, wirkt verwaist. Anna, die Tochter des Hauses, vom ansonsten strengen und wortkargen Vater maßlos verwöhnt, und Abel Dehn, das fleißige, schüchterne Dienstmädchen, sind von Timm abgerückt, haben zwei Plätze zwischen sich und dem Einzelgänger geschaffen.
    Dass die Mädchen
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