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Das Hotel (German Edition)

Das Hotel (German Edition)

Titel: Das Hotel (German Edition)
Autoren: Susanna Calaverno
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es immer schlimmer. Mein Vater hatte seine Arbeit verloren, und meine Mutter brauchte teure Medikamente. Ich überlegte sogar schon, zu einem Begleitservice zu wechseln. Der Verdienst wäre deutlich höher gewesen. Aber dann ging ich zum ersten Mal mit Hartmut aus, und der schien geradezu perfekt.»
    «Mr.   Perfect, hm?» Veronika verzog das Gesicht, als hätte sie auf etwas extrem Saures gebissen. «Kommt mir irgendwie bekannt vor …»
    «Vielleicht wollte ich auch nur, dass er perfekt war», gab Mascha zu. «Aber er schien wirklich fehlerlos zu sein. Gut, sein Äußeres hat einen nicht gerade vom Hocker gerissen, wenn ihr versteht, was ich meine. Aber seine äußere Erscheinung war tipptopp, und er war unwahrscheinlich höflich.»
    «Nein, wir verstehen nicht, was du meinst», kicherte Jenny albern. «Beschreib ihn! Sah er aus wie Danny de Vito? Oder eher wie der Franzose mit der hässlichen Kartoffelnase?»
    «Nein, eher wie der Kerl, der im Fernsehen immer die braven Ehemänner spielt. Ich komme jetzt nicht auf den Namen, aber gestern war er wieder in dem ‹Tatort› im Dritten – falls ihr den gesehen habt.»
    «Ich weiß, wen du meinst», sagte Veronika. «Aber ich wüsste jetzt auch nicht, wie er heißt. Er ist immer so unwichtig, dass man ihn gar nicht beachtet.»
    «Genau! So war Hartmut auch. Unscheinbar und zurückhaltend. Als wir zum ersten Mal essen gingen, hat er mir aus dem Mantel geholfen und später sogar den Stuhl zurechtgerückt. Richtig süß altmodisch. Von sich hat er nicht viel erzählt. Er schien immer eher an mir interessiert zu sein.»
    «Sehr geschickt!», räumte Jenny ein. «Auf die Art hat er rausgekriegt, dass du keine große Wahl hattest.»
    Mascha seufzte. «Vermutlich. Wir gingen noch ein paar Mal miteinander aus. Und immer war er ausgesprochen höflich. Hat nie versucht, mir an die Wäsche zu gehen. Als er mir endlich den Heiratsantrag machte, auf den ich hoffte, hatten wir uns einige Male geküsst. Mehr nicht.»
    «Und wie war das?»
    «Du meinst, wie er küsste?», fragte Mascha zurück. «Nicht toll. Aber das zählte schließlich nicht. Es ging dann alles ziemlich schnell. Die Eheschließung fand in der Botschaft statt, obwohl meine Eltern es lieber gesehen hätten, wenn wir auch noch in der Kirche geheiratet hätten. Also habe ich ihnen gesagt, dass das wegen der unterschiedlichen Konfessionen zu kompliziert wäre. Am nächsten Tag sind wir nach Deutschland geflogen.»
    «Keine Feier? Und die Hochzeitsnacht? Willst du sagen, ihr hättet keine Hochzeitsnacht gehabt?» Jennys Stimme bebte vor Empörung über diese geschäftsmäßige Abwicklung eines Ehebeginns.
    «Doch, doch. Allerdings nicht so, wie du es dir in deinem romantischen Köpfchen auszumalen scheinst.» Mascha verzog die vollen Lippen zu einem höhnischen Lächeln. «Wir waren mit meinen Eltern essen. Ich hatte mich von ihnen verabschiedet, und nun stand ich in meinem besten Kostüm, meinen einzigen Koffer neben mir, in Hartmuts Hotelzimmer. Hartmut war ohne ein Wort im Bad verschwunden. Ging es ihm schlecht? War der Wodka ihm nicht bekommen? Die Geräusche aus dem Badezimmer klangen ganz normal: nach Zähneputzen, dann wurde der Wasserhahn aufgedreht. Ratlos setzte ich mich auf die Bettkante. Sollte ich mich einfach ausziehen? Ich wusste ja nicht, was Hartmut von mir erwartete.
    Schließlich kam er aus dem Badezimmer. Im Pyjama. Sah mich an, so seltsam nachdenklich, als überlegte er, ob er wirklich zufrieden wäre. Und dann sagte er, ich solle mich ausziehen, sorgfältig waschen und dann zu ihm ins Bett kommen. Na ja, ich geh also duschen und so weiter. Wie ich neben dem Bett stehe, mustert er mich von oben bis unten und fragt, ob ich mich auch innen gewaschen hätte. Ich denke, ich habe etwas falsch verstanden, und frage ihn, was er damit meint.»
    «Ich ahne etwas …», murmelte Veronika und griff nach ihrem Glas. «Hatte er eine Vaginaldusche im Bad?»
    Mascha sah sie erstaunt an. «Woher weißt du das? War dein Mann auch so?»
    «Im Gegenteil», erwiderte Veronika trocken. «Ich habe nur viel Gelegenheit gehabt, durch die Nachtprogramme der kommerziellen Sender zu zappen. Aber erzähl ruhig weiter.»
    «Hartmut bemerkte offenbar, dass ich keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Er kam also mit mir ins Bad, hielt mir das Gerät unter die Nase und zeigte mir, wie ich es am Wasserhahn anschließen müsste. Er warnte mich noch, die Wassertemperatur nicht zu heiß einzustellen, und dann ließ er mich allein.»
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