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Unter Bruedern

Unter Bruedern

Titel: Unter Bruedern
Autoren: Noah Berg
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Hendrik sitzt gedankenverloren im Bus zur Schule.
    Es ist schon so früh am Morgen fast unerträglich warm und die Luft im Bus ist stickig.
    Auf seinem Walkman, den ihm die Eltern zu seinem 13. Geburtstag geschenkt haben, läuft „Eyes without a face“, als ihm plötzlich jemand von hinten den Kopfhörer vom Kopf reißt.
    Es ist der Sommer 1984 und Hendrik hasst sein Leben.
    Nach einer Schrecksekunde dreht er sich um und sieht seinen Mitschüler Andre und dessen Kumpane unmittelbar hinter sich im Gang stehen.
    Mit einem kräftigen Ruck reißt Andre den Kopfhörer aus dem Walkman heraus.
    Damit hat Hendrik nicht gerechnet und reagiert zu langsam.
    Dümmlich grinsend und triumphierend steht Andre nun mit dem Kopfhörer in seiner Hand da.
    „Gib mir den Kopfhörer zurück!“, ruft Hendrik aufgebracht.
    „Oh, kann unser Streberarsch jetzt keine Musik mehr hören?“, erwidert Andre mit gespieltem Mitleid in seiner Stimme.
    „Das tut mir aber leid. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, hörst Du doch sowieso nur Musik für Tussis.“
    „Tussi Musik“, johlt einer von Andres Kumpanen sofort.
    „Gib mir den Kopfhörer zurück!“, versucht Hendrik es erneut.
    Der Walkman ist sein ganzer Stolz. Schon lange hat er sich einen gewünscht, konnte selber aber das Geld dafür nicht zusammensparen. Seit ihm seine Eltern den Walkman geschenkt haben, hütet er diesen wie einen Schatz.
    Andre grinst breit und sieht feixend seine Kumpel an.
    „Und was, wenn ich das nicht tue? Läufst Du dann zu Deiner Mami und verpetzt uns, Du kleiner Scheißer?“
    Hendrik fühlt sich wie so oft, wenn Andre ihn drangsaliert, hilflos, und um sich blickend weiß er, dass er von den anderen Schülern im Bus keine Hilfe erwarten kann. Diese sind  viel zu sehr damit beschäftigt, vergessene Hausaufgaben für den heutigen Tag eilig bei ihren Mitschülern abzuschreiben, für eine bevorstehende Klassenarbeit noch einmal einen Blick in ihre Bücher zu werfen oder einfach ihren eigenen Gedanken nachzuhängen.
    „Gib ihn wieder her!“
    Hendrik spürt selbst die Unsicherheit und Furcht in seiner Stimme und hasst sich dafür.
    „Nö, aber guck’ doch mal, was ich jetzt damit mache“, fordert Andre ihn heraus.
    Er lässt den Kopfhörer aus seiner ausgestreckten Hand zu Boden fallen.
    Hendrik dreht sich halb um und als er sich eilig nach dem Kopfhörer bücken will, tritt Andre mit aller Kraft darauf. Wieder und wieder. Der Kopfhörer kann den Tritten nicht lange standhalten und als Andre endlich aufhört darauf herumzutrampeln, sammelt Hendrik bestürzt die Einzelteile vom Boden auf.
    Heiße Tränen der Wut laufen ihm übers Gesicht, die er nicht zurückhalten kann.
    „Jetzt heult er auch noch!“, jauchzt Andre.
    „Heulsuse, Heulsuse, Heulsuse!“, ertönt es im Chor von Andres Gefolgsleuten.
    Die Einzelteile seines Kopfhörers fest umklammert in der Hand haltend, setzt sich Hendrik beschämt und mit gesenktem Kopf auf seinen Platz zurück. Wie sehr er Andre und dessen Clique doch hasst.
    Der Bus hält an und mit den meisten der anderen Schüler steigen auch Andre und seine Mannschaft lautstark aus.
    Hendrik fühlt sich wie festgenagelt an seinem Sitz und würde alles dafür geben, einfach sitzen bleiben zu können, nicht auch aussteigen zu müssen.
     
     
    *
     
     
    „Sehr gut gemacht, Hendrik.“
    Wohlwollend lächelt sein Deutschlehrer ihn an, als er ihm sein Klassenarbeitsheft zurück gibt. Hendrik wirft einen Blick hinein und freut sich über die zwei plus die da unter seiner Arbeit steht.
    Sein Lehrer ist schon auf der anderen Seite der Klasse, um dort weiter Hefte auszuteilen, als Papierkügelchen Hendrik am Hinterkopf treffen.
    Hendrik dreht sich um.
    „Streberarsch!“, zischt Andre, der zwei Reihen hinter ihm sitzt und durch eine Lücke in der Vorderreihe freien Blick hat.
    „Lehrers Liebling!“, setzt er noch nach als Hendrik sich gequält wieder nach vorne dreht.
    Daniela, die neben Hendrik sitzt, dreht sich zu Andre um und fährt ihn leise an: „Halt die Klappe, du Idiot! Bist ja nur neidisch.“
    Hendrik ist Daniela dankbar für ihre Unterstützung und gleichzeitig bestürzt über sein eigenes Unvermögen, Andre die Stirn zu bieten.
    Reglos verharrt er auf seinem Stuhl.
    „Oh, Hendrik hat jetzt eine kleine Freundin. Wie niedlich! Daniela und Hendrik – das ist ja so süß!“, johlt Andre.
    „Jetzt ist aber Ruhe dahinten!“, ruft ihr Lehrer sich zu ihnen umdrehend.
    Er beobachtet sie noch eine kurze Weile und wendet
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