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Schattenwandler 01. Jacob

Schattenwandler 01. Jacob

Titel: Schattenwandler 01. Jacob
Autoren: Jacquelyn Frank
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    Es wäre geradezu lächerlich einfach, ihnen etwas anzutun.
    Von hoch oben beobachtete er mit seinen schwarzen Augen, wie die beiden Menschen die spärlich beleuchtete Straße hinuntergingen. Der Mann war so sehr damit beschäftigt, mit der Frau zu flirten, dass er bei einem überraschenden Angriff nicht die geringste Chance hätte, sie zu schützen.
    Wobei überraschend in diesem Zusammenhang wohl nicht der richtige Ausdruck war. Auch der Gedanke an Verteidigung war völlig sinnlos. Ein Mensch gegen einen von seiner Art?
    Jacob, der Vollstrecker, stieß ein hämisches Lachen aus.
    Seiner Meinung nach hatte die rothaarige Frau eine armselige Wahl getroffen. Kein anständiger Mann hätte seine Partnerin dazu überredet, sich in einer so unwirtlichen Nacht wie dieser überhaupt vor die Tür zu wagen. Ganz abgesehen von den Vorboten des Bösen. Die Gegend hatte einen denkbar schlechten Ruf. Voll von drohenden Schatten der Wolken, die vor der bleichen Scheibe des Mondes dahinzogen, und voll von Gefahren, die eines Menschen Sinne nicht erspüren konnten.
    Das Paar ging unter ihm entlang und ahnte nichts von seiner Anwesenheit.
    Ganz zu schweigen vom Kommen des anderen.
    Jacob hob den Kopf. Er spürte genau, wie der andere sich näherte. Auch wenn die von Menschenhand geschaffene Landschaft aus Glas und Beton seine hoch entwickelten Sinne betäubte, fühlte er ganz genau, dass der andere kam. Er war jünger und unerfahren, und er war völlig fixiert auf seine Beute.
    Die Menschenfrau.
    Jacob spürte den Hunger des anderen wie einen beklemmenden, beißenden Gestank nach ungezügelter Lust. Der jüngere Dämon, sein Name war Kane, materialisierte sich immer wieder flackernd, während er sich über die Dächer der Stadt seinem rothaarigen Opfer näherte. Er ahnte nicht, dass der Vollstrecker ihm gefolgt war und bereits auf ihn wartete.
    In einer Staubwolke, die leicht nach Schwefel roch, materialisierte sich Kane kurz darauf unten auf dem Bürgersteig – ein paar Meter hinter dem ahnungslosen Pärchen. Bis auf die Begleiterscheinungen war seine Teleportation völlig unbemerkt verlaufen.
    Jacob verharrte, die Nerven zum Zerreißen gespannt. Es fiel ihm schwer, nicht sofort einzugreifen, aber es war seine Pflicht, den anderen Dämon bis zum bitteren Ende gewähren zu lassen. Erst dann hatte er die Berechtigung, dem Gesetz seines Volkes Geltung zu verschaffen. Und er flehte das Schicksal an, Kane möge sich wieder unter Kontrolle bekommen und einfach verschwinden.
    Gut getarnt hockte Jacob auf einer Straßenlaterne und beobachtete, wie Kane sich direkt unter ihm hindurch an seine Beute heranpirschte. Mit einem mühelosen Satz überwand der Vollstrecker mehrere Meter bis zur nächsten Laterne. Kein Laut war zu hören, als seine Füße das Metall berührten, kein Rascheln seiner Kleidung, als er sich erneut hinhockte, ohne zu wanken. Der einzige sichtbare Hinweis war das Flackern der Lampe unter ihm. Es kostete ihn nur einen Moment, dieses kleine Problem zu beheben. Zumindest für die anderen unter ihm schien wieder alles völlig normal zu sein. In Wirklichkeit allerdings zuckte das Licht zunehmend in wütendem Protest.
    Auch seine Gedanken verbarg Jacob hinter seiner Tarnung. Denn obwohl Kane in diesem Augenblick Sklave seiner niedersten Instinkte war, würde er ihn sofort spüren, wenn er sich nicht vorsah. Und doch flüsterte eine flehende Stimme im Hinterkopf des Vollstreckers, er möge nur einmal, nur dieses eine Mal, einen Fehler machen. Einen kleinen Fehler , wisperte sie, und Kane, der dir so viel bedeutet, wird deine Anwesenheit und deine Gedanken fühlen. Gib ihm die Chance, die du so vielen anderen verweigert hast .
    Niemand würde je erfahren, was Jacob schon alles geopfert hatte, um dieses heimtückische Flüstern zu verleugnen. Doch ungeachtet der drängenden Stimme konnte er sich auch diesmal seiner Pflicht nicht entziehen.
    Also beobachtete er, wie Kane einen Befehl an das schutzlose Paar sandte. Und im nächsten Moment wandte sich der Mann unvermittelt von seiner Begleiterin ab und entfernte sich, verließ sie ohne jeden ersichtlichen Grund und ohne sich dessen bewusst zu sein. Die rothaarige Frau wandte sich gleichzeitig zu dem Dämon um, der sich ihr näherte. Sie war ziemlich hübsch, bemerkte Jacob, als das Licht der Straßenlaterne auf ihr Gesicht fiel. Sie war groß und hatte eine üppige Figur. Es war nicht zu übersehen, warum Kane sie wollte. Und es war nicht der Vollstrecker in Jacob, der bei
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