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Das Hotel (German Edition)

Das Hotel (German Edition)

Titel: Das Hotel (German Edition)
Autoren: Susanna Calaverno
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zufrieden.»
    «Warum bist du nicht einfach gegangen?», fragte Jenny verständnislos. «So etwas lässt man sich doch nicht gefallen.»
    «Ich war jung und naiv», sagte Mascha leise. «Hartmut hatte mir gesagt, wenn ich ihn verlassen würde, dann würde man mich nach Russland zurückschicken, weil unsere Heirat dann nur als Scheinehe eingestuft würde. Und ich habe ihm geglaubt, weil ich so etwas Ähnliches zu Hause auch gehört hatte. Außerdem war das Geld, das er mir für meine Eltern gab, immer noch mehr, als ich dort verdient hatte.»
    «Geld ist doch nicht alles.»
    «Nein, Jenny, aber für jemanden in meiner Situation war es einfach zu wichtig. Also habe ich die Zähne zusammengebissen und jeden Abend gebetet, dass die Hexe bald sterben würde.»
    «Und wie bist du da wieder rausgekommen?»
    «Als ich die Nachricht erhielt, dass meine Eltern bei einer Explosion getötet worden wären, hab ich meinen Koffer gepackt und bin gegangen.»
    Die beiden anderen starrten sie schockiert an, nach den richtigen Worten suchend.
    «Oh, Mascha, das tut uns schrecklich leid», stammelte Veronika schließlich hilflos. Mascha zuckte fatalistisch mit den runden Schultern. «Das passiert in Russland häufig: dass jemand die Gasleitung zu manipulieren versucht und das ganze Haus dabei in die Luft fliegt.»
    «Wo bist du denn dann hingegangen?»
    «Zu so einem russischen Club. ‹Zarewitsch› oder so ähnlich. Er lag in einer sehr vornehmen Gegend, und ich hielt ihn für so etwas Ähnliches wie die Clubs der Ausländer in Petersburg. Da haben sie nämlich alle ihre nationalen Fluchtburgen. Als ich die Frau hinter dem Empfangstresen nach einer Stelle als Dolmetscherin fragte, sah sie mich an, als wäre ich verrückt. ‹Bist du sicher, Schätzchen, dass das der richtige Ausdruck ist?›, flötete sie und musterte mich. ‹Du bist nicht schlecht gebaut, aber du siehst nicht ganz so aus, wie wir unsere Mädchen gewöhnt sind.› Ich muss ganz schön blöde geguckt haben!»
    Veronika schmunzelte. «Und …? Hast du dort eine Stelle bekommen?»
    «Nein», lachte Mascha. «Aber die Frau war wirklich nett. Sie riet mir, es hier in Neustadt zu versuchen. Sie meinte, es gäbe hier so viele Firmen mit russischen Geschäftspartnern, dass sicher viele Dolmetscher gebraucht würden.»
    «Das scheint aber nicht so geklappt zu haben. Oder was ist schiefgelaufen?», fragte Jenny offen.
    «Ach, so etwa zwei Jahre lief alles toll. Ich hatte eine schöne Stelle, meine eigene Wohnung, ganz für mich allein …»
    «Und dann machte die Firma pleite?», fragte Veronika ahnungsvoll.
    Mascha verzog den Mund zu einem zynischen Lächeln. «Genau.» Das Lächeln verzerrte sich zu einer Grimasse. «Ich habe immer gehofft, wieder eine ähnliche Anstellung zu finden, aber es sieht nicht gut aus. Alles, was mir angeboten wird, sind Stellen als Putzfrau oder Zimmermädchen in einem der Messehotels», fügte sie mit unverhohlener Bitterkeit hinzu.
    «Wir müssten unser eigenes Hotel haben», nuschelte Jenny verträumt, durch ihr drittes Glas Wein in phantasievolle Stimmung versetzt. «Wäre das nicht toll? Mascha für den Haushalt, Veronika als Hausdame und ich für die Buchhaltung. Dann hätte jeder von uns eine Stelle.»
    «Ich glaube, du hast genug Wein gehabt», stellte Veronika fest und rückte das noch halb gefüllte Glas unauffällig außer Jennys Reichweite. «Wie sollte das denn funktionieren? Wir haben doch alle kein Geld.»
    «Na, du hast doch das Haus», beharrte das Mädchen, während es sichtlich mit dem Schlaf kämpfte. «Da kann man doch ein prima Hotel draus machen.» Ihr Kopf sackte nach vorne, und sie begann leise zu schnarchen.
    In einvernehmlichem Schweigen machten die beiden Älteren es ihr bequem, indem sie ihr die Schuhe auszogen, sie bequem auf das Sofa legten und zudeckten.
    «Der Gedanke ist gar nicht so dumm», meinte Mascha dann leise. «Ich denke, es könnte klappen. Dies Haus wäre wunderbar geeignet als kleine, exklusive Pension für Kunden, denen der normale Hotelbetrieb zu unpersönlich ist. Menschen, die bereit sind, viel Geld für eine ungewöhnlichere Unterbringung zu zahlen. Was hältst du davon?»
    «Hm, ich weiß nicht. Einen Haufen fremder Menschen im Haus …» Veronika klang nicht gerade begeistert.
    «Immerhin wäre es dann noch dein Haus», erinnerte Mascha sie nüchtern. «Und wo ist der Unterschied, ob du jetzt Gäste deines Mannes beherbergst oder deine eigenen? Deine eigenen kannst du dir wenigstens
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