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Das Hotel (German Edition)

Das Hotel (German Edition)

Titel: Das Hotel (German Edition)
Autoren: Susanna Calaverno
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ersten Stock große Augen machten, meinte sie nur kühl: «Ich möchte zu unserem Finanzberater. Und ich werde warten, bis er Zeit für mich hat.» Damit setzte sie sich auf die niedrige Sitzbank zwischen den Ständern mit Anlageprospekten. Inzwischen war ihr klar, was Erwin für ein Spiel gespielt hatte. «Sitzengelassen» nannte man so etwas. Stehengelassen wie einen alten Koffer, den man kostengünstig entsorgen wollte. Eine Scheidung wäre ihm deutlich teurer gekommen. Und so hatte er einfach alle Brücken hinter sich abgebrochen, die er abbrechen konnte, ohne sie zu alarmieren. Einen Hausverkauf hätte er nicht geheim halten können, deshalb hatte er wohl darauf verzichtet, auch das zu Geld zu machen. Aber alles andere hatte er versilbert und das Geld auf ausländische Konten überweisen lassen, wie der Bankangestellte ihr peinlich berührt erklärte.
    «Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann besitze ich nur noch das Haus. Und sonst nichts?»
    Der Mann nickte.
    «Das ist doch nicht zu fassen!» Immer noch halb betäubt, starrte Veronika aus dem Fenster. Draußen fuhren die Autos durch die verkehrsberuhigte Zone, schlenderten die Menschen an den Schaufenstern vorbei, als sei es ein Tag wie jeder andere. Ihre persönliche Katastrophe zählte so wenig, wie eine einzelne, zertretene Ameise die übrigen Ameisen gleichgültig ließ.
    «Selbstverständlich sind wir gerne bereit, Ihnen einen großzügigen Kreditrahmen einzuräumen», bot der Mann diensteifrig an. «Damit sollten Ihre finanziellen Probleme erst einmal behoben sein.»
    Erleichtert war sie auf sein Angebot eingegangen. Sie würde sich eine Arbeit suchen, und alles würde gut werden.
    Wie naiv sie doch gewesen war! Energisch schloss sie die Tür zu der protzig ausgestatteten Suite. «Außerdem gibt es noch vier Gästezimmer.» Sie wies auf die Türen, die von der Galerie abgingen. Maschas und Jennys unbekümmerte Bewunderung der komfortablen Räume tat ihr gut. Sie hatte viel Liebe in die Ausstattung investiert, aber das schien keinem der zeitweiligen Bewohner aufgefallen zu sein. Jedenfalls hatte nie einer ein Wort darüber verloren.
    «Habt ihr oft Gäste gehabt?», erkundigte sich Mascha neugierig. «Wenn ich so ein Haus hätte, dann würde meine ganze Verwandtschaft bei mir einziehen!»
    «Außer einer alten, schwerhörigen Tante im Pflegeheim habe ich keine Verwandten», sagte Veronika leise. «Wenn jemand da war, waren es eigentlich immer Geschäftsfreunde meines Mannes, die er nicht im Hotel unterbringen wollte. Unten gibt’s noch ein Schwimmbad. Wollt ihr das auch sehen?»
    «Natürlich!»
    «Aber klaro!»
     
    «Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass niemand es haben will», meinte Mascha und sah sich mit offener Skepsis um. «Welchen Makler hast du beauftragt?»
    «Das hat auch die Bank übernommen», erwiderte Veronika abwesend und konzentrierte sich darauf, den blutroten Merlot in die Gläser zu gießen, die sie auf den Tisch gestellt hatte. «Wieso fragst du?»
    «Weil an der Sache was faul ist», sagte Mascha. «Bist du sicher, dass du diesem Finanzberater vertrauen kannst?»
    Veronika überlegte kurz. «Du meinst, er versucht mich finanziell so in die Enge zu treiben, dass der Bank das Haus bei der Versteigerung in den Schoß fällt?», fragte sie dann.
    «Der Bank oder einem Strohmann. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich habe mal als Urlaubsvertretung in einer Bank gearbeitet. Was glaubst du, was ich da so alles mitbekommen habe! Dort liefen vielleicht Sachen …»
    «Hast du dabei deinen Mann kennengelernt?», warf Jenny neugierig ein. «War er auch so ein windiger Typ?»
    Mascha schüttelte den Kopf. «Nein, Hartmut hat über eine Vermittlungsagentur eine Frau gesucht.»
    «Darüber habe ich erst neulich eine Reportage gesehen. Es soll eine Menge Männer geben, die auf diese Art eine Ehefrau suchen. Oft ist es einfach so, dass ihnen die Zeit fehlt», erklärte Veronika ruhig, denn ihr war aufgefallen, dass Maschas runde Wangen sich röteten.
    «Oh, Zeit war es nicht, die Hartmut fehlte!» Maschas Stimme klang gepresst vor unterdrücktem Zorn. Sie stürzte ihren Wein hinunter und hielt Veronika auffordernd das leere Glas hin. «Ich erzähle es euch. Aber zuerst gib mir noch ’nen Schluck von diesem Zeug. Dein Mann wusste jedenfalls, was gut war!»
    Ohne darauf einzugehen, schenkte Veronika ihr nach und lehnte sich dann bequem zurück. Jenny hatte sich schon in die Sofaecke gekuschelt, die Beine untergezogen, und ihr
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