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Das Hexenkraut

Das Hexenkraut

Titel: Das Hexenkraut
Autoren: Franziska Gehm
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blaugrünen, feuchten Augen noch stärker. »Ohne richterlichen Beschluss oder Schreiben des Landherrn darf ich niemanden außer dem Scharfrichter einlassen«, sagte er leise. Er konnte Marthe nicht länger in die Augen sehen und wandte den Blick ab. »Selbst wenn ich euch durch diese Tür gehen lasse   – im Turm sitzen vier weitere Wachmänner.«
    »Sag uns wenigstens, wie es ihr geht. Was hat man mit ihr gemacht? Hast du sie gesehen?«, fragte Marthe.
    Henrich nickte langsam. »Sie liegt auf etwas Stroh, angekettet im Turm. Man hat ihr die Haare geschoren. Aber sie lebt. Sie ist gesund und schläft gerade.«
    »Hat man sie schon vor den Richter geführt?«, fragte Jakob.
    Henrich nickte. »Gestern fand die gütliche Befragung statt. Die Schwarzleiberin hat nicht gestanden. Sie hat bei Gott geschworen, kein Bündnis mit dem Teufel eingegangen zu sein. Sie hat alle hexerischen Taten, die man ihr vorwirft, geleugnet.«
    »Wessen wird meine Mutter angeklagt?«, fragte Marthe.
    »Zwei Bauern beschuldigen sie eines Schadenszaubers. Sie sagen, die Schwarzleiberin hat ihreErnte durch ein Unwetter verdorben. Die Kuh eines anderen Bauern gab keine Milch mehr, seit die Schwarzleiberin sie berührt hatte. Trine Wegerich sagt, die Schwarzleiberin hat ihre Tochter durch einen Zauber bei der Geburt entstellt. Dr.   Rothaupt bezeugt, gesehen zu haben, wie die Schwarzleiberin durch Handauflegen das Bein eines seiner Patienten gelähmt hat. Und der alte Zaubel gibt der Schwarzleiberin Schuld am Tod seiner Tochter.«
    »Elsche ist tot?«, fragte Marthe.
    Henrich nickte. »Ihr Oberkörper war von roten Flecken übersät. Der alte Zaubel sagt, genau dort hat deine Mutter eine Salbe aufgetragen.«
    Marthe bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen und schluchzte.
    »Bete, dass deine Mutter gesteht«, sagte Henrich leise. »So entgeht sie der Folter und ihr wird die Gnade der Enthauptung vor dem Scheiterhaufen gewährt.«
    Marthe riss die Hände vom Gesicht. »Meine Mutter ist keine Hexe!«
    »Was geschah nach der gütlichen Befragung?«, fragte Jakob schnell.
    Zögernd wandte Henrich den Blick von Marthe ab. »Der Scharfrichter hat die Schwarzleiberin nach Hexenmalen abgesucht. Ohne Erfolg. Der Richter hat daraufhin beschlossen, dass die Angeklagte morgen Nachmittag der Wasserprobe unterzogen werden soll.«

    »Eine Wasserprobe?« Marthe sah Henrich fragend an.
    »Die Angeklagte wird zum Harzensteinersee geführt. Sie wird an Händen und Füßen kreuzweise gefesselt und in den See geworfen. Schwimmt sie auf dem Wasser, ist sie eine Hexe. Geht sie unter, ist ihre Unschuld bewiesen.«
    Marthe hatte die Augen weit aufgerissen und sah Henrich voller Entsetzen an. »Aber   – dann ist sie tot!«

Ein verzweifelter Plan

    Obwohl Jakob diese Nacht nicht im Freien verbrachte und Marthe neben ihm lag, schlief er unruhig. Er träumte vom Scharfrichter. Im Traum war dieser am ganzen Körper schwarz behaart gewesen, hatte spitze Hörner gehabt und einen linken Fuß, der aussah wie ein Pferdehuf. Er tanzte mit der Schwarzleiberin. Die ganze Stadt sah dabei zu. Auch Jakob und seine Mutter blickten auf das schaurige Tanzpaar und klatschten. Plötzlich holte der Scharfrichter einen Dreizack hervor und stieß damit nach der Schwarzleiberin. Diese aber erhob sich in die Lüfte.
    Da erwachte Jakob und richtete sich auf. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und sah auf die Bettstatt neben sich. Marthe saß im Schneidersitz und starrte vor sich hin. »Hast du gar nicht geschlafen?«, fragte Jakob.
    Marthe schüttelte den Kopf. »Wie soll ich schlafen können, wenn meine Mutter heute dem Tode geweiht wird?«
    »Das wird sie nicht«, sagte Jakob schnell.
    Marthe schüttelte den Kopf. »Nein, Jakob, es gibt keine Hoffnung. Schwimmt meine Mutter bei der Wasserprobe an der Oberfläche, wird sie als Hexe hingerichtet. Sinkt sie auf den Grund, wird sie im Harzensteinersee ertrinken. Zumindest ruht dann ihre Seele in Frieden und die ganze Stadt weiß, dass sie keine Hexe war.«
    »Hör auf, so zu reden!« Jakob rüttelte Marthe an der Schulter. »Es ist noch nicht zu spät. Wir müssen etwas unternehmen.«
    Marthe musterte Jakob einen Moment misstrauisch. »Wieso willst du meine Mutter unbedingt retten? Nur, damit sie die heilende Tinktur für deine Mutter anfertigen kann?« Plötzlich funkelten Marthes Augen zornig. »Das ist der einzige Grund. Auch du hältst sie für eine Hexe, habe ich recht?«
    Jakob schwieg einen Moment. Er wusste, dass er Marthe die
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