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Stadt Aus Blut

Stadt Aus Blut

Titel: Stadt Aus Blut
Autoren: Charlie Huston
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Ich kann sie riechen, noch bevor ich sie sehe. Die noch halbwegs durchblicken, beschmieren sich mit Puder, Parfüm und Ölen. Im Endstadium stolpern sie dann stinkend durch die Gegend. Nur die ganz Schlauen kommen auf die Idee, sich zu duschen. Auf lange Sicht hilft ihnen das natürlich auch nichts. Sie sterben sowieso. Eigentlich sind sie schon tot.
    Die, nach denen ich suche, blicken also noch halbwegs durch. Sie ziehen eine Wolke aus Chanel Nr. 5, Old Spice oder sonst was hinter sich her – für gewöhnliche Nasen nicht mal allzu aufdringlich. Ich schließe meine Augen und ziehe die Luft ein. Es könnten ja wirklich nur ein paar von diesen Idioten aus Jersey oder Long Island sein. Aber mein Instinkt behält recht. Unter dem ganzen Parfüm liegt ein kaum merklicher, süßlicher Geruch. Der Gestank von etwas, das noch nicht lange tot ist und gerade erst angefangen hat zu verwesen. Ich habe sie gefunden, da bin ich mir sicher. Fast hundertprozentig. Es laufen ja nicht viele von diesen Dingern herum. Noch nicht. Ich schlendere die Avenue A entlang und bleibe dann an der Kreuzung zur St. Marks direkt vor Ninos Pizzeria stehen.
    Mit dem Ring an meinem Mittelfinger klopfe ich auf die Theke. Einer der neapolitanischen Kellner kommt zu mir rüber.
    – Ja?
    – Gibt’s was Frisches?
    Er schaut mich verständnislos an.
    – Welche Pizza ist am frischesten?
    – Tomate und Knoblauch.
    – Auf keinen Fall Scheißknoblauch. Was ist mit Broccoli? Wie lange liegt die hier schon rum?
    Er zuckt mit den Schultern.
    – Also gut, gib mir ein Stück. Aber nicht zu heiß. Ich hab keine Lust, mir den Gaumen zu verbrennen.
    Er schneidet mir ein Stück ab und schiebt es zum Aufwärmen in den Ofen. Tomatenpizza mit Knoblauch hätte ich schon auch essen können. Es ist nicht so, dass der Knoblauch mir schaden würde. Aber ich mag das Zeug einfach nicht.
    Während ich an der Theke warte, mustere ich die anderen Gäste. Das übliche Freitagabendpublikum: zwei Studenten von der NYU, ein paar Gammler und Hausbesetzer, zwei Yuppies auf einer Abenteuerreise ins East Village, ein paar Hip-Hopper, alle betrunken. Und diejenigen, nach denen ich suche. Sie stehen zu dritt um einen der hinteren Tische. Eine Gruftietante der alten Schule und zwei spindeldürre Typen mit unglaublich hohen Wangenknochen. Typische Modejunkies, die in irgendwelchen Löchern leben, aber auf jeder Szeneparty willkommen sind, weil sie Heroin verticken. Genau die Art von Arschlöchern, die mir noch gefehlt hat.
    – Einmal Broccoli.
    Der Neapolitaner bringt mir meine Pizza, und ich gebe ihm drei Dollar. Gruftie und die Junkies sehen den beiden Studenten hinterher, die aus dem Laden stolpern. Ungefähr eine Minute lang warten sie vor ihrem unberührten Essen, dann folgen sie ihnen. Ich bestreue mein Stück mit roten Paprikaflocken, nehme einen großen Bissen und verbrenne mir prompt den Mund. Der Pizzamann kommt mit meinem Wechselgeld zurück. Ich schlucke, und der geschmolzene Käse versengt mir die Kehle.
    – Ich hab doch gesagt, nicht zu heiß.
    Er zuckt mit den Achseln. Der Typ macht den ganzen Tag nichts anderes, als Pizzastücke in den Ofen zu schmeißen und sie wieder rauszuholen. Nicht zu heiß? Da hätte ich genauso gut Coq au vin bestellen können. Ich nehme die 50 Cent Wechselgeld, lasse mein Pizzastück auf die Theke fallen und folge Gruftie und den Junkies. War sowieso Scheißknoblauch in der Pizzasoße.
    Die Studenten haben die Straße überquert, um die Abkürzung durch den Tompkins Square Park zu nehmen, bevor ihn die Bullen um Mitternacht dichtmachen. Das Trio folgt ihnen in einigen Metern Abstand. Gerade erreichen sie den alten Steinbrunnen, in den die Worte Glaube, Hoffnung, Mäßigung, Barmherzigkeit eingemeißelt sind. Auf der anderen Seite des Parks biegen die Studenten östlich in die Neunte Straße ein. Mitten durch Alphabet City. Na toll.
    Der Block zwischen Avenue B und C ist menschenverlassenes Niemandsland. Bis auf die Studenten, ihre Verfolger und mich.
    Gruftie und die Junkies beschleunigen ihre Schritte. Ich schlendere einfach weiter. So schnell können sie gar nicht verschwinden, als dass ich es nicht bemerken würde. Bei dem, was sie vorhaben, brauchen sie ein ungestörtes Plätzchen. Dort sollen sie es sich in aller Ruhe gemütlich machen und sich in Sicherheit wiegen. Dann bin ich am Zug.
    Sie sind jetzt direkt hinter den Studenten. Unter einer kaputten Straßenlampe teilen sie sich auf und kreisen die beiden ein. Ein Handgemenge,
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