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Das Hexenkraut

Das Hexenkraut

Titel: Das Hexenkraut
Autoren: Franziska Gehm
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spät. Man hatte ihn und seine beiden jüngeren Schwestern ins Malefizhaus gebracht.«
    Jakob und Marthe sagten eine ganze Weile nichts. Schweigend saßen sie neben dem Alten. Auch er schien in Gedanken versunken.
    »Zum Glück ist es bei uns nicht so schlimm mit dem Hexenwahn«, sagte Jakob schließlich.
    »Vielleicht hat es auch nur noch nicht angefangen«, meinte Marthe leise.
    »Woher kommt ihr?«, fragte der Alte.
    »Aus Harzenstein«, antwortete Jakob.
    Der Mann runzelte die Stirn. »Untersteht die Stadt nicht dem Landherrn Schwarzmetten?«
    Jakob und Marthe nickten.
    Der Alte legte die Stirn noch mehr in Falten. »Macht euch besser auf den Heimweg. Deine Mutter liegt im Sterben«, sagte der alte Apotheker zu Jakob, »und deine schwebt womöglich in Gefahr«, sagte er zu Marthe.
    Marthe wurde blass. »Welche Gefahr? Wie kommt Ihr darauf?«
    »Ich habe vorgestern zwei Studenten belauscht, die aus Harzenstein kamen und auf dem Weg zur Universität waren. Soweit ich sie hören konnte, redetensie darüber, dass in Harzenstein eine Hexe angeklagt werden soll. Mehr habe ich allerdings nicht verstanden.«
    Marthes Unterlippe zitterte.
    Jakob stopfte das letzte Blutkraut in den Mantelsack, schulterte ihn und griff nach Marthes Hand. »Komm, gehen wir.«

Der Hexenturm

    Als Jakob und Marthe nach zwei Tagen Fußmarsch endlich wieder Harzenstein erreichten, dämmerte es schon. Jeder eilte sofort nach Hause. Jakobs Mutter lag genau so im Bett, wie er sie verlassen hatte. Sie hatte die Augen geschlossen, ihre Lippen waren trocken und aufgesprungen. Jakob sah, wie sich ihre Brust ganz leicht hob und senkte. Er kniete sich vor die Bettstatt und strich seiner Mutter eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich bin wieder da«, sagte er leise. »Mutter, hörst du? Ich bin zurück. Und ich habe das Blutkraut, das dich heilen wird.«
    Jakobs Mutter öffnete einen Moment die Augen. Ihr Blick ruhte auf ihrem Sohn. Sie lächelte. Dann schloss sie die Augen wieder.
    Jakob nahm ihre Hand. Sie kam ihm noch schmaler und kühler vor. »Die Schwarzleiberin wird bald hier sein. Sie wird die heilende Tinktur zubereiten. Dann wirst du ganz schnell gesund. Du wirst schon sehen.«
    In dem Moment flog die Tür auf und Marthestürmte ins Haus. »SIE IST WEG!«, rief sie. Sie hatte die Augen weit aufgerissen. Die Ränder waren gerötet.
    Jakob eilte auf Marthe zu, legte schützend beide Arme um sie und drängte sie, sich auf einen Schemel zu setzen. »Wovon redest du?«
    »Meine Mutter. Sie ist weg!« Marthe wischte sich mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht. »Die Schuhmacherin sagt, man hat sie gestern in den Hexenturm geschafft. Hat sie aus dem Haus geschleift und als Hexe beschimpft. Die ganze Straße hat zugesehen. Keiner hat ihr geholfen.«
    Jakob strich Marthe über die Schultern, die unablässig zuckten.
    »Bei uns zu Hause sieht es aus, als hätten Räuber gewütet. Alles, was Wert hatte, Möbel, Kleider, Geschirr   – alles haben sie mitgenommen. Die Schuhmacherin sagt, die Amtmänner hätten das Recht, die Güter und das Vermögen einer Hexe zu beschlagnahmen. Damit sollen die Kosten für den Hexenprozess getragen werden. Nichts haben sie uns gelassen.« Marthe sah Jakob mit verweinten Augen an. »Ich weiß nicht, was ich machen soll, Jakob.«
    Jakob stützte das Kinn auf die Hände und dachte einen Moment nach. »Komm«, sagte er schließlich.»Gehen wir zum Hexenturm. Sie müssen dich zu ihr lassen.«
    Jakob und Marthe eilten durch die dunklen, verlassenen Gassen ihrer Heimatstadt. Der Hexenturm befand sich an der südlichen Stadtmauer. Zwei Fackeln beleuchteten den Eingang. Davor schritt ein Wachmann mit einem Schützenrohr bewaffnet auf und ab. Jakob kannte den Wachmann. Es war Henrich, der mittlere Sohn seiner Nachbarin.
    »Was wollt ihr?«, fragte Henrich, als die Kinder auf ihn zugeeilt kamen.
    »Bitte, lass mich in den Turm. Meine Mutter ist dort. Ich muss zu ihr«, sagte Marthe.
    »Du willst zur Schwarzleiberin? Der Hexe?«, fragte Henrich.
    »Sie ist keine Hexe!«, rief Marthe.
    »Das wird sich zeigen«, sagte Henrich.
    »Bitte«, begann Jakob. »Lass uns zu ihr. Oder zumindest Marthe.«
    Henrich schüttelte den Kopf. »Das darf ich nicht.«
    Jakob versuchte es abermals: »Nur ganz kurz, Henrich. Wir wollen nur sehen, wie es ihr geht.«
    Marthe sah Henrich eindringlich an. »So hab doch ein Herz. Sie ist meine Mutter!«
    Henrich musterte Marthe. Sie war fast so groß wieer. Im schwachen Licht der Fackeln funkelten ihre
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