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Das Hexenkraut

Das Hexenkraut

Titel: Das Hexenkraut
Autoren: Franziska Gehm
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älter als Jakob und mindestens dreimal so mutig wie er   – aber trotzdem: Sie war ganz alleine.
    Jakob zwängte sich durch ein dichtes Gestrüpp. Dann blieb er stehen. Langsam ließ er den Mantelsack zu Boden gleiten. Er wartete ein paar Sekundenund lauschte. Hinter ihm blieb alles still. Er hielt es nicht mehr aus, musste sich umdrehen, musste wissen, was mit Marthe geschehen war. Er ballte die Hände zu Fäusten zusammen, atmete tief ein und…
    … fuhr herum.
    Zwei große, graue Augen starrten ihn aus dem Dickicht des Gebüschs an. Jakob schrie.
    Plötzlich erklang ein dumpfes Geräusch, wie ein Schlag. Jemand im Gebüsch stöhnte, der ganze Busch wackelte und Zweige knackten.
    Marthe stand mit einem dicken Ast in der Hand auf der anderen Seite des Gesträuchs. Sie starrte auf den Mann, der auf dem Boden hockte. Er hielt mehrere Zweige in der einen Hand und rieb sich mit der anderen den Kopf.
    »AUFHÖREN!«, rief der Mann. Seine Stimme war tief und kräftig. »Was soll das?«
    »Das wollen wir von Euch wissen«, sagte Jakob, nachdem er sich vom ersten Schreck erholt hatte. Der Mann sah nicht wie ein Räuber aus und wie eine Bestie schon gar nicht.
    »Wieso verfolgt Ihr uns?«
    Der Mann warf die abgebrochenen Zweige beiseite und richtete sich auf. Er war zwei Köpfe größer als die Kinder, obwohl er leicht gebückt ging. Seinhagerer Körper bog sich wie ein Hirtenstab. Seine Haare hingen ihm lang, grau und verfilzt vom Kopf. Sein Kinn schmückte ein langer, grauer Bart, der zu einem Zopf gebunden war. Die Wangen waren eingefallen, seine Haut war gebräunt und vom Wetter gezeichnet. Die hellgrauen Augen stachen aus den tiefen Augenhöhlen hervor wie Edelsteine. »Ich wollte sichergehen, dass ihr nichts Böses im Schilde führt. Heutzutage treiben sich so manche Taugenichtse und Unholde in den Bergen herum. Ausgehungerte Landsknechte, ungehobelte Wegelagerer und skrupellose Landstreicher.«
    Marthe musterte den Alten. Seine Kleidung war zerschlissen, aber man konnte noch erkennen, dass sie aus erlesenen Stoffen wie Damast und Atlas gefertigt war. Er hatte die weißen Strümpfe über den Knien festgebunden, die dunkelgrünen Beinkleider darunter festgezurrt und trug Schuhe mit großen, metallenen Schnallen, wie es bei angesehenen Bürgern Mode war.
    »Und was tut Ihr im Höllengebirge?«, fragte Marthe den Mann.
    »Ich lebe hier.«
    »Alleine?«, fragte Jakob.
    »Ja, alleine. Ich   … ich habe mich von den Menschenzurückgezogen«, antwortete der Alte. Über seine hellgrauen Augen huschte ein Schatten.
    »Wieso?«, fragte Jakob.
    Der Alte starrte einen Moment vor sich hin. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er schließlich. »Aber was habt ihr Kinder im Höllengebirge zu suchen?«
    »Wir wollen in die Todesschlucht«, sagte Marthe.
    Der alte Mann zog die Augenbrauen hoch und beäugte die Kinder erstaunt.
    »Dort wächst der rote Himmelsschlüssel, auch Blutkraut genannt«, fuhr Jakob fort. Vielleicht, hoffte er, konnte dieser seltsame Alte ihnen helfen. »Wir müssen das Kraut unbedingt finden. Aber wir haben uns verlaufen.«
    Der Alte sagte eine ganze Weile nichts und sah die Kinder merkwürdig an. Schließlich strich er über seinen Bart und nickte. »Ich helfe euch.«

In der Todesschlucht

    Jakob und Marthe folgten dem alten Mann nun schon seit über einer Stunde. Er hatte versprochen, sie zum Blutkraut zu führen. Doch was, wenn das eine Lüge war? Was, wenn der Alte sie in eine Falle lockte? Er sah zwar aus wie ein harmloser Einsiedler   – aber sie wussten nichts über ihn. Noch nie hatten sie von einem Alten gehört, der alleine im Höllengebirge hauste.
    Wieso, wunderte sich Jakob, hatte er sich von den anderen Menschen zurückgezogen? Vielleicht war es auch ganz anders und der Alte war aus seinem Heimatort vertrieben worden. Oder er musste flüchten, weil er Unrecht getan hatte. Womöglich hatte er jemanden bestohlen, sich von Gott abgewandt oder jemanden umgebracht.
    Mit jedem Schritt wuchsen Jakobs Zweifel. Er sah zu Marthe. Auch sie wirkte besorgt. Doch der Alte war immer in ihrer Nähe. Sie konnten nicht über ihn reden.
    Jakob wollte sich gerade etwas einfallen lassen,wie er ungestört mit Marthe beratschlagen konnte, als der alte Mann auf einmal mit erhobener Hand stehen blieb. »Hier beginnt sie«, sagte er mit tiefer Stimme. »Die Todesschlucht.«
    Marthe nickte. »Ich erkenne sie wieder.«
    »Kommt mit. Ich zeige euch etwas«, sagte der Mann.
    Zögernd folgten Jakob und Marthe dem
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