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Das Hexenkraut

Das Hexenkraut

Titel: Das Hexenkraut
Autoren: Franziska Gehm
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Antwort auf diese Frage schuldig war. Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er dann bestimmt. »Deine Mutter ist keine Hexe. Genauso wenig wie du und ich und wie der alte Apotheker. Deshalb müssen wir sie retten. Und ich weiß auch schon, wie.«
    Marthe sah Jakob fragend an.
    »Alles, was ich brauche, ist ein Messer und eine Tierblase.«
    Marthe runzelte die Stirn. »Das ist leicht zu besorgen. Aber was willst du damit?«
    »Mein Plan ist ganz einfach.« Jakob beugte sich zu Marthe und erzählte ihr leise, was er bei der Wasserprobe vorhatte.
    Je länger er sprach, desto mehr Falten traten auf Marthes Stirn. »Das ist viel zu gefährlich für dich.«
    Jakob kratzte sich an der Nase. »Zugegeben, es wird nicht leicht. Aber wir müssen es versuchen.«
    »Nein, am Ende verliere ich nicht nur meine Mutter, sondern auch dich«, sagte Marthe.
    »Mach dir um mich keine Sorgen«, erwiderte Jakob.
    Marthe sah ihn sorgenvoll an. »Dein Plan gefällt mir nicht.«
    »Hast du einen besseren?«
    Marthe schüttelte den Kopf.
    »Na also.« Jakob stand auf. »Jetzt machen wir Frühstück. Heute brauchen wir jede Menge Kraft.«
     
    Als Jakob und Marthe am See ankamen, hatten sich schon Hunderte von Schaulustigen versammelt. Der Tag war warm und sonnig. Ein fremder Beobachterhätte meinen können, all die Menschen hätten sich zu einem Volksfest eingefunden. Kinder spielten am Ufer und warfen Steine in den See, Kaufmannsfrauen tauschten den neuesten Klatsch und Tratsch aus, Mägde und Handwerker hatten ihre Arbeit unterbrochen und Tagelöhner und Bauern waren aus den umliegenden Ortschaften herbeigeeilt. Keiner wollte sich die Wasserprobe der Hexe entgehen lassen. Sie war eine willkommene Abwechslung.
    »Ich muss los«, flüsterte Jakob Marthe zu. »Wir sehen uns nachher bei der Brücke.«
    Bevor Jakob sich umdrehen konnte, zog Marthe ihn an sich heran und umarmte ihn. »Viel Glück«, flüsterte sie in sein Ohr. Dann entfernte er sich mit ruhigen Schritten von der Menschenmenge und ging auf eine von Schilf bewachsene Bucht zu. Marthe blickte ihm nach. Es sah aus, als würde er spazieren gehen. Niemand beachtete ihn.
    In dem Moment ging ein Aufschrei durch die Menge. Pferdegetrappel war zu hören. Schon von Weitem sah man den Karren, auf dem die Hexe vom Hexenturm zum Harzensteinersee gefahren wurde. Die Schaulustigen bildeten eine Gasse und ließen das Vehikel bis zum Steg vorfahren. Die meisten musterten die Frau auf dem Karren mit neugierigen,verächtlichen oder verängstigten Blicken. Viele Leute zeigten auf sie, manche riefen ihr Schimpfwörter zu, andere bewarfen sie sogar mit Dreck. Einige Menschen bekreuzigten sich und murmelten Gebete.
    Marthe erkannte ihre Mutter kaum wieder. Ihre schönen langen, schwarzen Haare waren verschwunden, der Kopf kahl geschoren. Ihr Gesicht wirkte schmaler, die Wangen waren hohl. Ihre Lippen waren aufgeplatzt, an der Stirn hatte sie einen Bluterguss. Ihre Augen sahen noch größer aus als sonst. Doch hatten sie allen Glanz und alle Lebensfreude verloren. Marthes Mutter blickte stumpfsinnig vor sich hin. Keine Regung war in ihrem Gesicht zu erkennen.
    Marthe drängte sich durch die Menschenmenge auf den Karren zu. »Mutter, Mutter!«, rief sie und streckte einen Arm in die Höhe.
    Zunächst starrte die Schwarzleiberin weiter stur geradeaus. Doch dann hörte sie die Rufe ihrer Tochter. Ihre Hände zuckten, ihre Augenlider flackerten, als sie in der Menschenmenge nach Marthe suchte.
    »Hier! Hier bin ich!«, rief Marthe.
    Als die Schwarzleiberin ihre Tochter entdeckte, flammte etwas in ihren Augen auf. Einen Momentsah Marthe ihre Mutter wieder so, wie sie sie gekannt hatte. Voller Lebensfreude und Güte. Doch dann füllten sich die Augen der Mutter mit Tränen.
    Ein Wachmann schob sich vor die Schwarzleiberin, packte sie an den gefesselten Händen und stieß sie vom Wagen. Der andere Wachmann, es war Henrich, fing sie auf und geleitete sie zum Bootssteg.
    Dort hatten sich bereits die Rechtsgelehrten versammelt. Der Gerichtsschreiber reichte dem Richter ein Pergament und der verlas die Anklage. »Gesteht die hier anwesende Aleke Schwarzleib, sich der Zauberei sträflich bedient, durch Zauberei anderen Leuten Schaden und Nachteil zugefügt und dazu einen Pakt mit dem Teufel eingegangen zu sein?«
    Die Schwarzleiberin sah dem Richter fest in die Augen. »Nein. Niemals bin ich einen Pakt mit dem Teufel eingegangen. Niemals habe ich mich der Zauberei bedient, so wahr mir Gott helfe.«
    Der
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