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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste
Autoren: Meredith Webber
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aus? Dabei fällt mir ein, dass es ziemlich lange her ist, seit ich gefrühstückt habe.“
    „Tee und etwas zu essen bekommen wir jederzeit“, antwortete Jenny, als er die Hand ausstreckte, um ihr aufzuhelfen.
    Widerstrebend nahm sie sie, wappnete sich gegen das Prickeln und Herzklopfen, das seine Berührung jedes Mal auslöste. Doch dann war sie froh, dass er sie stützte.
    „Danke.“ Sie erklärte Aisha, wo sie sie finden würde, und führte Kamid zum Verpflegungszelt.
    Unwillkürlich straffte sie die Schultern, während sie neben ihm herging. Sein aufrechter, stolzer Gang, das leicht erhobene Kinn verliehen ihm eine kraftvolle, selbstbewusste Ausstrahlung, und sie fragte sich wieder, ob das Blut mutiger Wüstensöhne in seinen Adern floss …
    Das Esszelt wurde von einer anderen Hilfsorganisation betrieben, die Konserven und Trockennahrung bereitstellte. Die meisten Flüchtlinge versorgten sich in der Kantine, kochten und aßen aber zu Hause mit ihren Familien. Andere wiederum, die es allein in dieses Camp verschlagen hatte, machten sich hier nützlich, boten heißes Wasser für Tee und Kaffee und drei Mahlzeiten täglich an.
    „Riecht gut“, meinte Kamid, als sie eintraten.
    „Eintopf“, erklärte Jenny. „Nicht mit Ziegenfleisch gekocht, sondern mit Dosenrindfleisch und getrocknetem Gemüse. Es schmeckt besser, als es sich anhört.“
    „Oder man ist nicht wählerisch, wenn man hier draußen in der Wüste festsitzt. Der Hunger treibt’s rein.“
    Jenny hatte das Gefühl, dass er sie neckte. Aber vielleicht bildete sie es sich auch nur ein. Warum sollte ein schöner Mann, dessen Profil sie an römische Kaiser auf antiken Münzen erinnerte, ausgerechnet mit ihr scherzen?
    Es gab keinen Grund, und dass sie überhaupt darüber nachdachte, beunruhigte sie. Necken bedeutete nämlich Aufmerksamkeit …
    Die Frauen hinter den Kesseln und Töpfen reichten ihnen kleine Gläser mit dampfendem Tee und bedeuteten ihnen, sich zu setzen, während ihr Essen in Schüsseln gefüllt wurde.
    Anmutig ließ Jenny sich auf den Boden gleiten, mittlerweile gewöhnt an die Sitte, sich auf ein Bein zu setzen und das andere angewinkelt davor aufzustellen, um beim Essen eine Stütze für den Arm zu haben.
    „Sie übernehmen aber schnell die Bräuche des Landes.“ Wieder schwang ein gewisser Humor in seiner Stimme mit.
    „Diese Menschen haben für sich in Tausenden von Jahren die beste Sitzhaltung beim Essen kultiviert – warum sollte ich da aus der Reihe tanzen?“
    Sie nippte an dem kräftigen, gesüßten Tee und sah, wie ein Lächeln über Kamids gebräuntes Gesicht glitt. Dann hob er sein Glas und trank ebenfalls, ehe er wieder aufblickte und der Frau dankte, die ihm sein Essen brachte. Für Jenny klangen die sanften melodischen Töne jedes Mal mehr wie gesprochene Poesie.
    „Mit dem richtigen Sitzen mag es bei mir problemlos klappen“, sagte sie, „aber sosehr ich mich anstrenge, bei mir hört sich das Wort ‚Danke‘ nicht so an wie bei Ihnen. Vermutlich braucht man ein ganzes Leben, um Arabisch zu lernen.“
    „Und noch viel länger, wenn man auch die verschiedenen Stammesdialekte beherrschen will. Sicher kann ich mich mit den Menschen hier verständigen, doch jeder Stamm verfügt über Begriffe, die nur seinen Angehörigen geläufig sind. Wussten Sie, dass es im Arabischen achthundert Wörter für Schwert, dreihundert für Kamel und zweihundert für Schlange gibt?“
    „Sie setzen das Schwert, ein Instrument des Todes, an die Spitze der nützlichen Wörter?“
    Kamid betrachtete sie schweigend, dann schenkte er ihr ein Lächeln, das sein hart gemeißeltes Gesicht auf faszinierende Weise verwandelte. Seine ebenmäßigen weißen Zähne blitzten.
    „Mit Sicherheit nicht. Wir haben sehr viel mehr Wörter für die Liebe.“
    Der heisere Unterton war ihr nicht entgangen, und sie erschauerte unwillkürlich. So, als hätte Kamid mit den Fingerspitzen federleicht über ihre Haut gestrichen.
    Sie sah ihn an und hoffte, dass er ihre Reaktion nicht bemerkt hatte, aber da wandte er sich bereits wieder der Frau zu, die jetzt Jenny ihr Essen servierte, eine Schüssel und dazu einen dünnen runden Brotfladen.
    „Bitte essen Sie“, sagte die Frau auf Englisch und lächelte verlegen.
    Freundlich dankte Jenny ihr in ihrer Sprache, auch wenn ihr bewusst war, dass ihr Arabisch holperig klang im Vergleich zu Kamids fließender Aussprache.
    Schweigend aßen sie. Jenny hatte sich daran gewöhnt, das Essen mit dem Brot zum Mund zu
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