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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste
Autoren: Meredith Webber
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sich.
    „Sie sind wirklich Aid-for-All – Mitarbeiter – und Arzt?“
    Jetzt wandte er sich ihr zu und lächelte. Das half ihr nicht gerade, sich wieder zu fangen. Mit langen Schritten marschierte er zum Wagen und wischte mit der flachen Hand über die Beifahrertür.
    „Sehen Sie, dieses Logo haben Sie auch.“ Mit dem Kopf deutete er zu dem Fahrzeug, das sie und ihr Team benutzten. „Meinen gerahmten Universitätsabschluss trage ich zwar nicht bei mir … er lässt sich so schlecht an eine Zeltwand hängen“, meinte er schmunzelnd, „aber ich besitze einen Ausweis.“
    Damit förderte er eine Plastikkarte aus der Hosentasche, die ähnlich aussah wie die, die Jenny an einem Band um den Hals trug.
    „Den gleichen wie Sie.“ Er hängte ihn sich um, und Jenny betrachtete ihn aufmerksam. Sah echt aus.
    Warum hatte sie dann immer noch das Gefühl, bei diesem Mann vorsichtig sein zu müssen?
    Weil er auffallend attraktiv war?
    Am besten ignorierte sie es einfach. Sie war in diesem Lager, um zu helfen, sonst nichts.
    „Schön, dann kommen Sie“, sagte sie, weil Rosana unruhig wurde.
    Besorgt blickte Jenny auf die Kleine, die großen dunklen Augen, die das schmale Gesicht beherrschten, die dürren Beinchen, den vom Hunger aufgeblähten Bauch.
    „Viel gibt es allerdings nicht zu sehen, jedenfalls nicht im Sanitätszelt. Die Ausstattung ist dürftig. Vielleicht können wir ein zweites Zelt bekommen, wenn Sie hier anfangen, damit wir uns nicht gegenseitig auf die Füße treten.“ Hoffnungsvoll blickte sie ihn an. „Sie haben nicht zufällig eins mitgebracht?“
    Die Frage schien ihn zu verärgern, aber Jenny konnte sich nicht erklären, warum.
    Bis er antwortete.
    „Hat die Regierung keine Zelte bereitgestellt? Sowohl für die Flüchtlinge als auch die Mitarbeiter der Hilfsorganisation? Ich meine, ich hätte so etwas gehört.“
    Jenny zuckte mit den Schultern. „Davon weiß ich nichts, aber der alte Scheich soll schon lange krank sein, und vielleicht läuft in diesem Land manches nicht so, wie es sollte. Aid for All hat ziemlich hart um die Erlaubnis kämpfen müssen, in diesem Lager auf TB testen und die Kranken behandeln zu dürfen. Wir wollten unser Glück nicht überstrapazieren und haben nicht gewagt, um noch mehr zu bitten. In unserem Zelt hatte vorher eine Familie gewohnt, die es dann geräumt hat, damit wir überhaupt arbeiten können.“
    Kamid Rahman al’Kawali, zukünftiger Scheich von Zaheer und inkognito Reisender in seinem eigenen Land, schüttelte den Kopf, während er sich erneut im Zeltlager umsah. Die Zustände waren schlimmer, als sein Zwillingsbruder Arun und er erwartet hatten. Die Verantwortung dafür lag teilweise auch bei ihnen, weil sie sich lieber in ihre Krankenhauspflichten gestürzt hatten, anstatt zu registrieren, was in Zaheer vor sich ging.
    Es war ein Irrtum gewesen zu glauben, dass es genügen könnte, als Arzt sein Bestes zu geben, und die andauernden Konflikte mit Regierungsstellen zu ignorieren. Der Grund allen Übels lag klar auf der Hand. Obwohl schwer krank, hatte sich der alte Scheich beharrlich geweigert, seine Söhne mit mehr Machtbefugnissen auszustatten.
    Also hatten sie gearbeitet, sich fortgebildet, an Kongressen und Kursen in der ganzen Welt teilgenommen und immer eine gute Ausrede gehabt, um ihren Vater nicht besuchen zu müssen. Und als sie es nicht mehr hinausschieben konnten, war es eher ihrer Mutter zuliebe geschehen und nicht aus Sorge um den jähzornigen alten Mann, der ihnen eine trostlose Kindheit beschert und sich zeitlebens geweigert hatte, sein Land mit den Segnungen der Moderne auszustatten.
    Er verachtete die Stadt, die um die alte Hauptstadt herum gewachsen war, gebaut von ausländischen Ölbaronen, die mit Bohrungen im Wüstensand unermesslichen Reichtum erworben hatten, oder von internationalen Hotelketten, um diesen Ölmagnaten luxuriöse Paläste zu bieten.
    Lange hatte er sich gesträubt, sein Land für demokratische Verhältnisse zu öffnen, und dann, als die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten war, seine Brüder und deren Söhne zu Kandidaten bestimmt. Natürlich sollten sie gewählt werden, um die Interessen der Familie zu wahren. Danach zog er sich in den Winterpalast zurück und überließ es jenen in der fernen Hauptstadt, zu schalten und zu walten, wie es ihnen beliebte. Die Stadt wuchs weiter und wurde zum Anziehungspunkt für Fremde aus aller Herren Länder. Was im übrigen Land passierte, interessierte niemanden mehr.
    So weit war es
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