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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste
Autoren: Meredith Webber
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nun gekommen: Eine ausländische Hilfsorganisation an der Grenze zum Nachbarstaat kümmerte sich um tuberkulosekranke Flüchtlinge, während in der Stadt in neu errichteten, hochmodernen Krankenhäusern erstklassig bezahlte Schönheitschirurgen Gesichter lifteten und Wohlstandsbäuche wegoperierten.
    Fremde Hilfe! Für ein stolzes Stammesvolk, das seit Jahrhunderten in der Wüste gelebt und geherrscht hatte …
    Kamid seufzte und wandte sich wieder der Frau zu. Sie trug ein dunkles Tuch um den Kopf, das ihre samtige, leicht gebräunte Haut betonte. Die Sommersprossen sahen aus wie Goldstaub, hier und da hingetupft, und auch ihre hellbraunen Augen erinnerten ihn an schimmerndes Gold. Ein hübscher Mund, rosige, aber leicht aufgesprungene Lippen. Hatte ihr niemand gesagt, dass die trockene Wüstenluft dem Körper in nur wenigen Stunden jede Feuchtigkeit entziehen konnte?
    Verwundert, dass er ihrem Äußeren so viel Beachtung schenkte, kehrte Kamid in die Gegenwart zurück. Er hatte wirklich Besseres zu tun, als die Reize einer Frau zu bestaunen.
    „Zelte kann ich beschaffen“, sagte er.
    „Einfach so? Seit Monaten schicke ich ein Gesuch nach dem anderen in die Stadt, betone, dass wir mehr Hilfe brauchen, und … oh!“ Sie schlug die Hand vor den Mund. „Sie sind diese Hilfe, nicht wahr?“, fragte sie leise und lächelte ihn verlegen an. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht freundlicher willkommen geheißen habe. Können Sie wirklich Zelte besorgen?“
    Er erwiderte das Lächeln. „Ich besitze einen gewissen Einfluss in der Stadt. Vergessen Sie nicht, ich bin dort aufgewachsen.“
    Ihre Sommersprossen faszinierten ihn, und er musste aufpassen, dass er sie nicht anstarrte. Deshalb ließ er den Blick flüchtig über sie gleiten und lächelte wieder, um zu verbergen, dass er sich so leicht ablenken ließ.
    Schon wieder!
    „Kein Problem“, fügte er hinzu.
    Jenny war nicht entgangen, wie er sie von oben bis unten gemustert hatte. Sie war sich durchaus bewusst, welchen Anblick sie ihm bot. Jeans und langärmelige Bluse waren unter einer langen grauen, mit rötlichem Wüstensand bedeckten Tunika verborgen. Wahrscheinlich hatte sie den Staub auch im Gesicht – und im Haar. Ihr Zopf, der unter dem Kopftuch heraushing, hatte sein goldblondes Schimmern eingebüßt und die Farbe einer vertrockneten Ingwerwurzel angenommen.
    „Gut“, entgegnete sie forsch, um ihre Verlegenheit zu kaschieren, „dann werde ich eine Liste der Sachen schreiben, die wir noch brauchen, um Ihren Einfluss richtig zu nutzen.“
    Kamid hob die Hand. „Es ist besser, wenn ich sie selbst zusammenstelle. Ich kenne die Menschen hier und kann einschätzen, was ihnen fehlt. Sie würden vielleicht nach westlichen Standards vorgehen.“
    „Sauberes Wasser und hygienische Verhältnisse gehören wohl für jeden zu den Grundbedürfnissen.“
    „Sicher, und auch dafür kann gesorgt werden.“
    „Und bessere Unterkünfte, bevor der Winter ins Tal einzieht.“
    Wieder blickte er sich um, und Jenny versuchte, das Lager mit seinen Augen zu sehen … die schäbigen geflickten Zelte, ein paar angepflockte Ziegen, die Kinder, die in den Gassen zwischen den Behausungen herumrannten, eine kleine Herde zotteliger Schafe, die das spärliche Gras am Fuß des Hügels abrupfte, zwei dösende Kamele.
    Ihr Besucher schüttelte den Kopf. „Diese Leute sind Flüchtlinge, dies ist nicht ihr Land. Wenn wir ihnen Hütten bauen, hieße das nicht, ihnen zu verstehen zu geben, dass sie nie in ihre Heimat zurückkehren werden? Würden wir ihnen damit nicht jede Hoffnung rauben?“
    Der Mann sah wirklich verboten gut aus. Jenny ertappte sich wieder dabei, dass sie nicht bei der Sache war.
    „Wollen Sie den Menschen, die alles verloren haben, eine anständige Bleibe verweigern?“, entgegnete sie schnippisch. „Ein bisschen Komfort, wenigstens so lange, bis sie gesund sind?“
    „Mit Freuden würde ich ihnen ein bequemes Zuhause und sogar ein Krankenhaus bieten, aber nicht hier, sondern in ihrer Heimat. Dort, wo ihre Familien seit Generationen leben. Hier würden sie sich auf Dauer im Exil fühlen. Genauso gut könnte man ihnen sagen, dass sie ihre Hoffnungen aufgeben sollen, dass der Krieg nie enden wird und sie für den Rest ihres Lebens in einem fremden Land festsitzen, angewiesen auf die Mildtätigkeit anderer. Ich möchte stark bezweifeln, dass Menschen irgendwo auf der Welt sich freiwillig darauf einlassen würden. Und diese stolzen Wüstenvölker erst recht
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