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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste
Autoren: Meredith Webber
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nicht.“
    „Okay, Sie wissen es anscheinend besser.“ Jenny wandte sich ab und strebte auf das große Zelt zu. „Oder glauben es besser zu wissen“, murmelte sie vor sich hin.
    Tief in ihr brodelte es. Sie wusste nicht, warum sie sich ärgerte. Bestimmt nicht über den Mann, der ihr etwas erklärt hatte, was sie eigentlich wissen müsste. Oder über die leidenschaftliche Art, mit der er seinen Standpunkt verteidigt hatte, so als fühle er buchstäblich mit diesen Menschen, die sich nach ihrer Heimat zurücksehnten.
    Nein, es war bewundernswert, wie er für die Flüchtlinge eintrat. Weshalb war sie dann wütend auf ihn?
    Weil sie eine leichte Arroganz spürte?
    Kamid sprach einen Mann an, der gerade vorbeiging, und während die beiden sich unterhielten, beobachtete Jenny ihn unauffällig.
    Unter Ärzten gab es einige, die sich für etwas Besseres hielten, aber die trugen normalerweise keine alten Jeans und T-Shirts, sondern einen dreiteiligen Anzug.
    Jenny seufzte. Verallgemeinerungen waren sonst nicht ihr Stil, und jetzt war sie drauf und dran, jemanden in eine bestimmte Schublade zu stecken, den sie nicht einmal richtig kannte.
    Bestimmt hatte sie sich noch nicht davon erholt, dass sie diesen Fremden zuallererst als Mann gesehen hatte. Dass ihr sein umwerfendes Aussehen auffiel, sein Lächeln, seine männliche Haltung. Seit dem Unfall waren solche Gedanken tabu gewesen …
    Sie erreichte die Zeltöffnung und drehte sich um, wartete, dass er näher kam. Wieder durchrieselte sie eine unbestimmte Ahnung von Gefahr, und sie erschauerte trotz der Hitze.
    „Hier arbeiten wir, und hier wohne ich. Sehen Sie sich um, ich hole dann jemanden, der Sie durchs Lager führt, damit Sie sich ein Bild machen können.“
    Er schien widersprechen zu wollen, nickte aber nur und folgte ihr ins Zeltinnere.
    Jenny hielt Rosana mit einem Arm auf der Hüfte, während sie ihr Reich zeigte, Praxis, Krankenhaus und Wohnung in einem. Die einzelnen Bereiche waren durch farbenfrohe Webteppiche abgetrennt, die Jenny den Händlern abgekauft hatte, die regelmäßig im Lager auftauchten, um Flüchtlingen ihr letztes Geld aus der Tasche zu ziehen.
    In der Praxisecke drängten sich Männer, Frauen und Kinder, die auf Tuberkulose getestet wurden.
    „Wie Sie sicher wissen, kommen die meisten Flüchtlinge aus den Bergen. Kriegerische Stammesfehden haben sie über die Grenze getrieben oder auch der Hunger, nachdem sie wegen der Kämpfe ihr Land nicht mehr bestellen oder ihre Herden auf gute Weidegründe schicken konnten.“
    Ihr Gast nickte. Oder sollte sie ihn allmählich als Kollegen betrachten?
    „Hier leben auf engem Raum viele Menschen zusammen“, sagte er nachdenklich, „und unter solchen Bedingungen breiten sich Krankheiten wie TB sicher in Windeseile aus. Aids ist eine weitere Komplikation, sodass Sie sich darauf konzentrieren müssen, das Programm zu Ende zu bringen.“
    Vielleicht sollte sie ihn wirklich als Kollegen sehen.
    Besser, als immer wieder an den Mann zu denken …
    „Eben, doch wir werden oft von unserem Ziel abgelenkt“, antwortete sie. „Eins der Kinder gerät zu nah ans Feuer und verbrennt sich, bei einer Schwangeren setzen vorzeitig Wehen ein … Natürlich kümmern wir uns um alle, die unsere Hilfe suchen.“
    Obwohl der Mann sie verunsicherte, so vertraute sie doch dem Arzt und beschloss, ihn endlich so willkommen zu heißen, wie sie es von Anfang an hätte tun sollen. „Deshalb bin ich froh, dass Sie da sind. Wenn Sie den medizinischen Alltag übernehmen, können wir mit dem TB-Programm weitermachen.“
    „Tuberkulose-Behandlungen erstrecken sich über einen Zeitraum von neun Monaten. Haben Sie vor, so lange zu bleiben?“
    Der skeptische Unterton gefiel ihr nicht. „Was dachten Sie? Dass ich die freiwillige Helferin nur spiele? Auf der Suche nach einem Kick oder Ruhm und Ehre … damit die Leute sehen, was für eine tolle Ärztin ich bin?“ Sie funkelte ihn wütend an. „Selbstverständlich bleibe ich, bis das Projekt abgeschlossen ist, vielleicht nicht volle neun Monate – obwohl, wenn immer mehr Flüchtlinge zu uns strömen, könnte ich sogar länger bleiben.“
    Ihr Zorn perlte an ihm ab, ihr Blick schien ihn nicht zu beeindrucken. Kamid Rahman wartete, bis sie zu Ende gesprochen hatte, ehe er ruhig fragte: „Warum nicht die vollen neun Monate?“
    „Mit unseren Medikamenten genügt eine Behandlung von einem halben Jahr.“ Jenny schob das Kinn vor und sah ihm in die Augen. „Wir müssen nur darauf
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