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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste
Autoren: Meredith Webber
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solche Frage galt in seinem Land als grob unhöflich, aber Kamid musste es wissen, auch wenn seine Neugier ihm etwas peinlich war.
    „Um ein Programm zur Bekämpfung der Tuberkulose durchzuführen“, entgegnete sie mit einem leichten Lächeln. „Das wissen Sie doch.“
    „Aber warum in diesem Winkel der Erde? Gibt es in Ihrer Heimat keine Menschen, denen Sie helfen können? Sie sind doch Australierin, oder?“
    Jenny nickte, aber er sah ihr an, dass seine Fragen sie verwirrten.
    „ Aid for All schickt mich manchmal ins Outback“, erklärte sie schließlich. „Manchmal aber auch ins Ausland.“
    Zögernd musterte sie ihn, als müsse sie sich erst entscheiden, ob sie ihm eine ausführliche Antwort geben wollte oder lieber doch nicht.
    Dann sprach sie weiter. „Die Auslandseinsätze gefallen mir besser. Zu Hause fühle ich mich oft hilflos. Meine Arbeit dort scheint völlig sinnlos zu sein. Doch hier und in anderen Winkeln der Erde, in Afrika oder Kolumbien, habe ich das Gefühl, wirklich zu helfen, selbst wenn es nur ein geringer Beitrag ist. Meistens melde ich mich für Projekte wie dieses, die zeitlich begrenzt sind.“
    Diesmal lächelte sie offen, und ihre Augen leuchteten. „Diese Reisen sind für mich eine Belohnung.“
    Fasziniert sah Kamid ihr in die warmen goldbraunen Augen. Sagte man nicht, die Augen wären das Fenster der Seele? In Jennys hatte er Mitgefühl gelesen und Sorge um ihren Patienten, aber jetzt waren sie von einem Glanz erfüllt, der unerwartet Humor vermuten ließ.
    Den sie hier wahrscheinlich auch brauchte.
    Dennoch war er ungewohnt berührt. „Arbeiten, weiterziehen, das gefällt Ihnen also. Ist das Ihre Art von Freiheit? Keine Bindungen an einen bestimmten Ort, einen bestimmten Menschen?“
    Sie betrachtete ihn kurz, nickte dann.
    „Sie sind eine seltsame Frau.“
    Jenny lachte leise. „Unsinn, ich bin ganz normal. Manche Leute halten das, was ich tue, für nobel oder aufopferungsvoll, aber in Wirklichkeit ist es ganz schön egoistisch. Ich liebe meine Arbeit und das Abenteuer, ferne Länder zu bereisen. Mir gefällt die Herausforderung, Projekte unter widrigen Umständen zum Erfolg zu führen, Menschen zu begegnen, die ich nie kennenlernen würde, wenn ich zu Hause bliebe. Sicher aufgehoben in einer Hausarztpraxis, täglich mit Patienten konfrontiert, die auch jeder andere Allgemeinarzt untersuchen und behandeln könnte.“
    Kamid checkte Akbars Puls. „Gibt es niemanden, der sich um Sie sorgt? Jemanden, dem Ihre Abenteuerlust Angst macht und der froh ist, wenn Sie wieder heil nach Hause kommen?“
    Er wandte den Kopf, als sie kurz mit ihrer Antwort zögerte, doch ihre Miene gab nichts preis.
    „Meine Eltern sind Allgemeinmediziner mit eigener Praxis, die ich vielleicht eines Tages übernehmen werde. Und obwohl sie sich nie für meinen Lebensweg entschieden hätten, nehmen sie starken Anteil an meinen Reisen. Sie unterstützen mich, wo sie können, sammeln Ausrüstungs- und Medikamentenspenden für mich und nehmen Menschen auf, die ich zu ihnen schicke. Einmal hat eine Familie aus Guatemala ein halbes Jahr bei ihnen gelebt, während befreundete Chirurgen ihr kleines Mädchen operiert haben. Es war mit einer Lippenspalte zur Welt gekommen.“
    Überrascht schüttelte Kamid den Kopf. Das hatte er nicht erwartet, auch wenn es in seinem Volk gang und gäbe war, eine Not leidende Familie aufzunehmen. Aber er hatte immer geglaubt, dass ein solches Verhalten aus dem Leben in der Wüste heraus geboren war, wo die Hilfe anderer oft über Leben oder Tod entschied.
    „Wir sollten prüfen, ob die Transfusion etwas bewirkt hat. Ich werde noch mal Blutdruck messen.“
    Ihre sachliche Bemerkung machte ihm schlagartig klar, wie weit seine Gedanken abgeschweift waren.
    „Ich vergesse immer wieder, dass wir keine Apparate haben, die das automatisch für uns übernehmen.“
    Jenny lächelte. „Sicher, dadurch wird es einfacher, aber früher sind Ärzte auch ohne zurechtgekommen, und das schaffen wir genauso.“
    „Natürlich.“ Er erwiderte ihr Lächeln und sah zu, wie sie die Manschette aufpumpte, die Luft wieder entweichen ließ und die Werte ablas. Akbars Blutdruck war zwar nicht weiter gesunken, hatte sich aber auch nicht verbessert.
    „Warten wir noch eine Stunde“, schlug Kamid vor. „Wie fühlen Sie sich? Möchten Sie eine Pause machen, bevor Sie ihm den zweiten halben Liter geben? Vielleicht spazieren gehen oder, besser noch, eine Tasse Tee trinken? Wie sieht es hier mit Essen
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