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Das Herz der Wueste

Das Herz der Wueste

Titel: Das Herz der Wueste
Autoren: Meredith Webber
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Lösung, die allen gerecht wird?“
    „Männer aus anderen Clans wollen als Unterhändler auftreten, um mit den verfeindeten Anführern zu reden. Wie in jedem Krieg fallen Ernten aus, weil niemand es wagt, etwas anzubauen, und wenn er nicht bald aufhört, werden die Menschen erst recht hungern müssen. Leider haben die Verhandlungen noch nichts genützt.“
    Nachdenklich schaute er auf das Mädchen, das vertrauensvoll das Köpfchen an Jennys Schulter gelehnt hatte und schlief.
    „Wie Sie sagten, gehört sie wahrscheinlich zu einem der verfeindeten Clans, und ihre Familie hat gedacht, dass man sich hier besser um sie kümmern würde.“
    Jenny strich der Kleinen durch das feine dunkle Haar. „Armes Ding. Zum Glück wird sie von allen geliebt, sodass immer jemand da ist, der sich um sie kümmert. Inzwischen isst sie wenigstens gut, auch wenn das, wie Sie sehen, nicht immer der Fall war.“
    „Und sie kommt auch abends zu Ihnen? Ist es überhaupt klug, dass sie sich so auf Sie fixiert? Dass sie lernt, Sie zu lieben? Und Sie, wenn Sie sie lieb gewinnen und eines Tages weggehen müssen …“
    Jenny holte tief Luft, sog die kühle Nachtluft in die Lungen, atmete den Duft der Wüste ein. Inzwischen war ihr der Geruch nach Sand, Staub, nach Blumen, deren Namen sie nicht kannte, und nach Ziegen, Kameldung und Wacholder vertraut.
    Und trotzdem war es heute Abend anders. Der Zauber der Wüstennacht hatte eine andere Dimension bekommen, und auch wenn sie es sich nicht eingestehen mochte, schuld war der Mann in Jeans und einem abgetragenen T-Shirt.
    Ein Mann, der von Liebe sprach …
    „Ist es jemals klug zu lieben? Trotzdem tun wir es alle.“ Jenny drückte einen zärtlichen Kuss auf den Kopf des Mädchens. „Wir öffnen uns, obwohl wir dadurch verletzlich werden, und nehmen Kummer und Schmerz in Kauf, falls die Liebe endet. Das wissen Sie doch auch. Als Sie von der Geschichte der Beduinen und ihren Stämmen erzählten, haben Sie voller Leidenschaft gesprochen. Hier aufzuwachsen, hat Sie gelehrt, dieses Land zu lieben.“
    Kamid war weitergegangen, und sie folgte ihm, sah, wie er zu dem flachen Felsvorsprung strebte, auf dem sie abends schon oft gesessen hatte. Von hier aus blickte sie auf die Wüste, die rötlich schimmernden Wellen, die sich bis zum Horizont erstreckten wie das Meer an einem windstillen Tag. Wenn über ihr der unendliche, sternenfunkelnde Himmel ein schützendes Dach spannte, die Abendbrise über ihre Haut strich, empfand sie etwas, das einem Glücksgefühl sehr nahe kam.
    Er drehte sich um. „Sie sind also Expertin in Sachen Liebe?“
    „Nein, bestimmt nicht. Wer ist das schon? Auch wenn er die romantische Liebe erfahren hat und glaubt, alles darüber zu wissen. Was auch immer die Liebe in uns entfacht, es ist mir ein Rätsel.“
    Die Situation war seltsam unwirklich. Jenny konnte kaum glauben, dass sie mit einem Fremden über die weiten Sanddünen der Wüste blickte und über Liebe redete.
    „Zur romantischen Liebe gehört zweifellos die körperliche Anziehung“, sagte er, ohne sie anzublicken, sodass sie sein vom Mondlicht beschienenes Profil ungestört betrachten konnte.
    „Wahrscheinlich bringt sie die Menschen zusammen, aber nicht immer entwickelt sich echte Liebe daraus“, widersprach sie. „Denken Sie an die zerbrochenen Ehen, die Affären, die plötzlich enden. Vielleicht sollte die Liebe zuerst da sein, genährt von gemeinsamen Interessen, von Freundschaft, statt von wild gewordenen Hormonen oder einem Testosteronschub im Gehirn ausgelöst zu werden.“
    Er lächelte kurz, aber als er sich ihr zuwandte, blickte er ernst. „Vielleicht sind die Leute hier weiser, weil sie sich ihre Braut nach ihrer Eignung und nicht wegen ihrer Anziehungskraft aussuchen. In alten Zeiten traf der Bräutigam seine Auserwählte selten vor dem Hochzeitstag, selbst wenn er sie vielleicht als Kind gekannt hatte. Die Ehen wurden meistens nur mit Angehörigen desselben Stammes oder Clans geschlossen, deshalb kam es häufig vor, dass man eine Cousine heiratete, mit der man als kleiner Junge gespielt hatte.“
    Sicher wollte er ihr nur die hiesigen Bräuche erklären, trotzdem glaubte sie, einen traurigen Unterton herauszuhören.
    „Sie klingen so, als wüssten Sie nicht, ob Sie diese Sitte gut finden sollen oder nicht.“ Sie hoffte, er würde bei ihrer Frage lächeln, doch er zuckte nur mit seinen breiten Schultern und blickte wieder in die Wüste hinaus.
    Lange ertrug sie das unbehagliche Schweigen nicht und
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