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230 - Gilam'esh'gad

230 - Gilam'esh'gad

Titel: 230 - Gilam'esh'gad
Autoren: Stephanie Seidel
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Pazifischer Ozean, östlich des Marianengrabens
    Ende September 2524
    Tief unter den Wellen zog ein uraltes hydritisches Rettungsboot dahin. Es war deutlich kleiner als moderne Transportquallen, und schlichter konzipiert. So konnte etwa die Außenhaut nicht aufklaren, und statt des bewährten Tentakelantriebs verlängerte sich die Kabine im Quallenschirm nach hinten heraus zu einem Schlauch, dessen Pumpbewegung das bionetische Wesen vorwärts stieß. Es sah aus wie ein tanzender Champignon.
    Trotz ihres veralteten Antriebs hätte die bionetische Qualle relativ gleichmäßig schwimmen müssen. Tat sie aber nicht. Sie ruckte durchs Wasser, verlor an Fahrt und sprang wieder an, nur um gleich darauf erneut zu verlangsamen. Der Zorn ihres Passagiers war irgendwie verständlich.
    Agat’ol hämmerte mit den Fäusten auf die Steuerung und fluchte, was das Zeug hielt. In Gilam’esh’gad hingen Tausende von Rettungsbooten unter der Felsendecke – wie groß war die Chance, an ein Montagsmodell zu geraten? Offenbar groß genug, denn er saß darin.
    Agat’ol wollte nach Meeraka, genauer gesagt: nach Waashton, zu Arthur Crow. Quer durch den Pazifik, dann durch die Meerenge von Paan’ma und hinauf an die meerakanische Ostküste; dies war der kürzeste Weg. Der General erwartete keine Lieferung einer mörderischen Hydritenwaffe, wusste nicht einmal von deren Existenz. Und doch war der so genannten Flächenräumer auf dem Weg zu ihm, wenn auch nur in Form eines Datenkristalls, den Agat’ol gestohlen hatte. Er hing in einem Beutel um seinen Hals. Ein Lesegerät – eine flache, glasähnliche Halbkugel im Metallrahmen – hatte er unter seinem Schulterpanzer befestigt. Es scheuerte auf seiner Haut, aber da es der einzige Platz war, wo er es deponieren konnte, ertrug er die Schmerzen.
    Der Mar’os-Krieger dachte an das belauschte Gespräch zwischen Quart’ol und dem Menschenmann Drax zurück.
    Fast eine Stunde lang hatten die beiden in einer Seitenstraße von Gilam’esh’gad über diesen Datenkristall palavert, und welche Folgen es hätte, wenn die auf ihm abgespeicherten Informationen in falsche Hände gelangten. Zum Beispiel in die des machthungrigen Menschen Arthur Crow in Waashton.
    Und dann legt dieser Matt Drax den kostbaren Kristall vor dem Schlafengehen einfach auf den Tisch, dachte Agat’ol. Gut zu sehen, und noch besser zu stehlen! Als würde er darum betteln, dass man sich ins Haus schleicht und ihn von dieser Last befreit! Nun ja – er rechnete nicht damit, dass es in dieser Geisterstadt noch andere denkende Wesen gab als ihn und seine Freunde – und den Wächter in der Kammer des Wissens.
    Agat’ol hatte sich des Kristalls und des Lesegeräts bemächtigt und den Entschluss gefasst, eben diesen General Crow aufzusuchen. Um den Flächenräumer auf dem eisigen Kontinent zu finden, brauchte er Unterstützung. Wenn er gefunden war, würde er schon einen Weg finden, den Oberflächenkriecher zu töten und die Waffe einzusetzen. Gegen die Menschen – und gegen die Ei’don-Anhänger, die ihn einst verstoßen und verspottet hatten.
    »Und du wirst mich nicht davon abhalten, verdammtes Ding!«, raunzte er die Rettungsqualle an.
    Agat’ol unterstrich seine Forderung mit einem Fausthieb auf die Steuerkonsole. Dabei traf er ungewollt zwei Eingabefelder gleichzeitig, was in der darunter liegenden Bionetik einen Kurzschluss verursachte. Es machte Bsssst, und die Energieversorgung erstarb. Wie ein schlaffer Pilzstiel sank der große Pumpschlauch herunter.
    »Ist das zu fassen?«, brüllte Agat’ol.
    Wütend versuchte er das System zu reaktivieren. Es fiel ihm schwer, denn sein Wissen über hydritische Fahrzeuge war begrenzt, egal aus welcher Epoche sie stammten. Mar’os-Krieger benutzten entweder Reitfische oder ihre eigenen Flossen. Erstere gab es aber nicht im Marianengraben, und nach Meeraka schwimmen wäre eine Zumutung gewesen.
    Deshalb hatte Agat’ol während seines Aufenthalts in Gilam’esh’gad heimlich die Handhabung der Rettungsboote geübt. Diese alte Transportquallenversion ankerte seit Jahrtausenden in rauen Mengen unter dem Felsendach. Bis zur Schleuse war es nur ein Katzensprung, und wenn man die erst durchtaucht hatte, gelangte man ungestört in die offenen Tiefsee.
    Agat’ol dachte an Korr’ak, den Tiefseekraken, der über Monde in Gilam’esh’gad sein Gefährte gewesen war. Matt Drax hatte den Kraken vor einiger Zeit angeschossen. Der zertrennte Greifarm würde wieder nachwachsen. Aber Kraken
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