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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra
Autoren: Michael Stuhr
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KAPITEL 1 - TERI

    Man soll kein Kind unterschätzen. - Mag sein, dass es eines Tages zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und dann das Richtige tut.

    Das Jahr sechzehn der Amtszeit Reos, König von Estador und der nördlichen Inseln, war ein gutes Jahr für Thedra gewesen. Einem frühen Frühling war ein windreicher Sommer gefolgt, der in einen langen und milden Herbst übergegangen war.
    Ganz davon abgesehen, dass ganz Estador von diesem günstigen Wetter profitierte und die Wege zur Hauptstadt lange begehbar waren, war auch der Schwalbenhafen schon sehr früh eisfrei gewesen. Das bedeutete, dass in diesem Jahr die Frachtrate so hoch ausfallen würde, wie schon seit dreißig Jahren nicht mehr.
    Als der erste Eisregen niederging und das Ende der Schwalbensaison ankündigte, schaute jeder Handwerker Thedras zufrieden auf die leeren Lagerräume und die vollen Geldkästen. Bald würde sich in den geräumten Werkstätten wieder das Rohmaterial für die Arbeit des Winters stapeln. In Kürze würden die Händler aus ganz Estador zum großen Markt kommen, und die Schneckenschiffe der Finder fuhren noch bis weit in den Winter hinein. Sicher würden sie so manches gute Stück feilbieten, das sich trefflich umarbeiten ließe. Mochten sie nur kommen mit den Schätzen dieser Welt. Thedras Kassen waren gerüstet.

    "Hier entlang!"
    Mit dumpfem Geräusch ihrer lederbeschlagenen Holzsohlen huschten die beiden Männer durch die düsteren Gänge des Formerfelsens. Obwohl die Beleuchtung nur spärlich war, bewegten sich die Gestalten schnell und mit sicheren Schritten über den glatten Steinboden.
    "Hast du ihr den Tee bereitet?" Die Stimme des zweiten Mannes war nur ein Wispern, das jedoch vielhundertfach von den steinernen Wänden zurückgeworfen wurde.
    "Ja. Aber die Blätter helfen nicht." Angst klang in der Stimme mit.
    Vorhänge wurden zur Seite geschoben und aus den Wohnungen und Werkstätten wurde manch unwilliger Blick auf die nächtlichen Störer geworfen. Als die Bewohner des Formerfelsens jedoch Schritt und Stimme des ersten Mannes erkannt hatten, legten sie sich wieder zur Ruhe. Jeder von ihnen wußte, dass Ael, die Frau des Kannenformers, schwanger war, und dass die Wehen am späten Nachmittag eingesetzt hatten.
    Geron, Waffenschmied des Königs und Magischer Mediziner eilte hinter dem aufgeregten Mann her. Ael war von sehr zartem Körperbau, und seiner Berechnung nach war es für eine Geburt noch zu früh. Er hatte dem Kannenmacher Blätter gegeben, aus denen er einen Tee für seine Frau bereiten sollte. Wenn dieses starke Mittel zur Unterdrückung der Wehen nicht mehr half, war die Lage sehr ernst.
    Mit geübten Schritten stiegen die Männer auf den steilen, kurzen Stufen weiter in den Felsen hinauf. Leicht flackerten die Flammen der offenen Öllampen im Luftzug, den die Umhänge der beiden verursachten. Etage um Etage von Wohn- und Arbeitsräumen ließen sie unter sich, bis sie fast die Grenze zum Brennerfelsen erreicht hatten, wo die Tonwaren der Former in den ewigen Öfen gehärtet wurden.
    Kein Laut drang aus dem Wohngewölbe des Kannenformers. Wenn Ael auch Schmerzen litt, so klagte sie doch nicht laut. Die Bewohner der Felsen waren von Kind an daran gewöhnt, sich ruhig zu verhalten. Anders hätte man in diesen Felsgängen, die jedes Geräusch verstärkten und weitertrugen, gar nicht zusammenleben können.
    Trotzdem wäre es Erin lieber gewesen, hätte seine Frau sich nicht mit so übermenschlicher Kraft beherrscht. Er hatte erlebt, wie ihr gepeinigter Körper sich in Krämpfen wand und versuchte das Kind auszutreiben. Er hatte auf ihre Bitte hin lange gewartet, den Magischen Mediziner zu rufen. Jetzt verdammte er sich dafür.
    Kein Laut drang an sein Ohr. Nicht einmal leises Atmen. Langsam und ängstlich schlug er den schweren Teppich zur Seite, der den Eingang zu seinem Raum verdeckte. Geron stieß ihn fast grob zur Seite und schob sich eilig in die Höhle.

    Ael war jung gewesen, als Erin sie zur Frau nahm. Als Tochter eines Scharmanns war sie hoch über seinem Stand. Da sie aber nur seine vierte Tochter war, hatte der Scharmann ein Auge zugedrückt und Ael mit Erin ziehen lassen. Mehr noch: - Er hatte sich durch den geringen Stand seines Schwiegersohnes auch nicht davon abhalten lassen, die junge Familie auf das Reichlichste zu beschenken. Besonders hatte er sich darum gekümmert, dass Erins Räume für Ael etwas erträglicher ausgestaltet wurden.
    Ael, als Kind eines Scharmanns, war es gewöhnt, unten
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