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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis
Autoren: Alon Hilu
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spöttischem Lächeln seine Lanze unserem Vater in den Hals rammte und ihn auf einen Schlag tötete, mit einem einzigen blutigen Streich. Und nun weilt Vater nicht mehr unter den Lebenden, ist er tot, begraben unter trügerischen, Unglück bringenden sandigen Weiten.
    Die Gesetze der Wüste erlegen mir die noble Pflicht auf, nun seinen Tod zu rächen, doch Mutter bestürmt mich immerzu, nichts dergleichen zu tun, da noch nicht einmal der leiseste Flaum meine Oberlippe ziert und ich noch keine dreizehn Lenze zähle, das Schwert schwach und locker in meiner Hand liegt und ich die Kamelstuten und jungen Kamele nur ungenügend und tollpatschig zu reiten verstehe. Die anderen Frauen springen ihr bei und sagen mir, Raschid,halte an dich, die Blutrache wird vollzogen werden durch jene, die stärker und kräftiger sind als du, die Männer des Stammes, die sich auf solches verstehen, denn unter unseren wagemutigen Kriegern ist bereits eine List ersonnen, wie sie in einer drückend heißen Nacht die Zelte der Unreinen überrennen werden, die Lager der Chasradsch, um unsere vergifteten, todbringenden Pfeile auf sie abzuschießen und nicht einen am Leben zu lassen, über ihre Männer herzufallen und sie zu zerfleischen. Ja, selbst mich dürstet es nach dem Tod meiner Feinde, sehe ich vor meinem geistigen Auge den aufragenden Speer in meiner Hand ihre Stirn durchstoßen, denn wie gut und teuer erst werden meine Tage sein, wenn ich ihre Leichen nebeneinander aufgereiht, Trauben niedergetrampelter, hingemetzelter Männer, denen ich mit meinem Dolch den Bauch aufschlitzen werde, um jedem seine Gedärme herauszureißen, jedem einzelnen von ihnen, und sie über die wandernden Dünen zu verteilen, wo Vater tot und begraben liegt, verscharrt auf immer und ewig, die Augen werde ich ihnen ausstechen und streunenden Hunden zum Fraß vorwerfen, werde sie die warme, zähe Flüssigkeit, die aus ihnen rinnt, auflecken lassen, werde ihre Leber herausschneiden und meiner Mutter und den Tanten überreichen, damit sie ein gar köstliches Gericht daraus zubereiten, ein Rachemahl, auf dass der Stamm der Chasradsch erfährt, wie tief unserer Hände Taten reichen.

22. September 1895, Neve Shalom
    Meine Rückkehr nach Hause schien anfangs höchst erfreulich vonstattenzugehen. Schon vom Horizonte sah ich die gnädige Frau an den Türpfosten gelehnt stehen und in die Ferne blickend.Ein gutes Zeichen war dies. Ich stieg vom Wagen, näherte mich ihr und umfing sie mit meinen Armen. Sie küsste mich auf die Wange. Schöner als alle Schönheit ist die gnädige Frau und weckt trotz all ihrer Makel noch immer heftige Liebe in mir. Einen geschlagenen Monat hatte sie sich ohne den Mann beschieden, hatte die Tage des Neujahrsfestes alleine verbracht, und die Ermangelung des Ehegatten war ihr auf das schönste anzumerken. Wohl war sie noch nicht von der Hysterie einsamer Frauen befallen, doch die Sehnsucht und Reue hatten sichtlich an ihr genagt. Ohne dass ich sie hätte gedrängt, bedeutete sie mir, mit ihr ins Schlafgemach zu kommen, den Staub der Reise noch an meinen Kleidern.
    An die absonderlichen Gepflogenheiten der gnädigen Frau, die weder begierig auf Worte der Liebe oder ein Streicheln noch sonstige Liebkosungen ist, habe ich mich bereits gewöhnt. Ja, selbst ein Lecken der Zunge erscheint in ihren Augen schmutzig und unrein. Stattdessen begehrt sie, dass ich ohne überflüssige Umschweife über sie komme. Und selbst, da die gnädige ausgedorrt und trocken ist, so ist dies wohl das Schicksal des Mannes in seiner Ehe. Zumindest wirft sie ihr Auge nicht auf andere Mannsbilder und bewahrt sich ihre kühle Schönheit für ihren Herrn und Gatten allein. Zeigt dieser Geduld, wird er sie gewisslich die vielen Lektionen lehren können, die sie in der Sexualkunde verpasst.
    Hoffnung und Optimismus senkten sich in meine Seele, doch indes, schon bald trübte neuer Hader unseren Hausfrieden, was darin seinen Grund hatte, dass ich bat, meine Mahlzeit zu erhalten, und die gnädige Frau es nicht für nötig befunden, irgendein Gericht zuzubereiten, doch damit nicht genug, sie erdreistete sich sogar kundzutun, sie sei eine moderne Frau und werde ihren Manne nicht bekochen. Und damit saß die gnädige Frau mitüberschlagenen Beinen in ihrem Zimmer. Ihre Pflichten im Schlafzimmer zu erfüllen, ist sie nicht erpicht, sich unter Töpfe und Pfannen zu begeben, nicht gewillt. Aufsässige Frauen sind wie Wildpferde in den Weiten der Wüste. Ohne Reiter und Dressurmeister
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