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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis
Autoren: Alon Hilu
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erwachte die gnädige Frau aus ihrem Schlafe und sagte: «Ich begehre, einmal austreten zu dürfen.» Ich ließ den Kutscher am Wegesrand halten. Die gnädige Frau raffte ihre Röcke und tat, was sie musste tun, und ihr Gebaren war kühl und stolz, ihre Verrichtungen kaltschnäuzig und entschlossen, und ich wusste, dies waren ebenjene Charakterzüge, welche ihr helfen würden, allen künftigen Krisen zu trotzen, und ich ward überwältigt von Liebe für sie.

    Bevor wir aus Jaffa weggefahren, diesem neuen Kapitel in unserem Leben entgegen, von dem ich hoffe, dass es besser und erfolgreicher sich anlässt als das vorherige, wollte jenem Menschen ich noch einmal entgegentreten, den aus meinem Leben ich verbannt, denn die Reue begann in mir sich zu regen, ich könnt ungebührlich ihn behandelt haben und unredlich mit ihm umgesprungen sein.
    Ich fragte in allen Vierteln der Juden nach dem Wilden Ochs, doch niemand konnte zu ihm mich weisen, da niemand wusste, wohin seine Spur sich verloren, denn bei einem Manne ohne Frau ist nicht gut wissen, wohin der nächste Tag ihn wird führen, da ohne die Zügel der Ehe er wie ein Blatt im Winde ist, der Wurzeln keine hat und von Ort zu Ort, von Nektar zu Nektar fleucht.
    Eines Tages dann fand ein aufgeregter Bote sich bei mir ein, einer von Nuriels dunkelhäutigen Söhnen, und sagte, der Ochs habe soeben eine Flasche des starken jemenitischen Weins beim Kiosk seines Vaters erstanden, und wenn ich eilte und mich sputete, könnt vielleicht ich ihn noch sehen, ehe er auf seine Wanderschaft von Ort zu Ort sich wieder begäbe.
    Ich lief eilends zu dem Kiosk, doch dort hieß man mich, derWilde Ochs sei zum Hafen gegangen, sodass über die Dünen dem Viertel Manshiyeh zu ich hastete und von dort weiter zum Hafen und durch die geschäftigen Märkte, mir meinen Weg bahnte zwischen den vielen Arabern, die dort Handel trieben und feilschten, die Waren betasteten und das Vieh in Augenschein nahmen, bis sich mir endlich die Gestalt des Wilden Ochs zeigte, als um eine Ecke ich bog. Sein Rücken war gebeugt, sein Bart verfilzt, seine Kleider stanken vor Schmutz und er schien niedergeschlagen und verzweifelt.
    Ich berührte an der Schulter ihn und sagte: «Mein Freund.»
    Er starrte aus hohlen Augen mich an und runzelte traurig und enttäuscht die Stirn.
    «Ich bin gekommen, dich um Verzeihung zu bitten», sagte ich.
    «Du bist ein unseliger Mann», erwiderte er, «so unselig wie dieses Land.»
    «Ich habe grundlos dich verleumdet», sagte ich, «verzeih mir.»
    Er sagte: «Einerlei, ob ich dir verzeihe oder nicht, denn ich gehe weg von hier auf immer.»
    «Wohin?», fragte ich.
    «Nach Amerika», sagte er. «Vielleicht ist dort das Glück mir hold. All meine Kraft und Energie, die ich hier auf die Kolonisten und die Kolonistinnen verwandt, hat bloß an den Rande des Abgrunds mich gebracht.»
    «Gleichwohl», sagte ich, «wisse um die Weissagung, die mir gemacht und von der ich weiß, dass wahr sie ist: Du wirst ein sehr berühmter Dichter sein und deiner Verse wird auf immer man gedenken.»
    Er sagte: «An Versen und Geschichten bin verzweifelt ich, denn Trost für die Niedertracht des Lebens fand ich in ihnen keinen. Und nun lass ab von mir, denn mein Schiff läuft alsbald aus.»
    «Und was ist mit jenem Poem, das solch starke Gefühle in jedes Mannes Herz zu wecken vermocht?», fragte ich.
    «Verlorene Liebesmüh», antwortete er. «Es ward niemals vollendet.»
    «Mithin», sagte ich, «hier hast die fehlende Zeile du: ‹Noch ist unsere Hoffnung nicht verloren›.»
    Er wiederholte die Zeile einige Male wie Adam, der die süße Frucht des Paradieses kostet. Ein plötzlicher Funke erhellte für einen Moment seine erloschenen Augen und erstarb.
    Er umarmte fest mich und eilte zu seinem Schiff.

    Ich folgte mit den Augen seiner Gestalt, die zum Kai ging und von dort in eines der Boote der Araber sprang, die von einer Mole zur anderen schippern. Düster dreinblickende Kolonisten und rothäutige Russen drängten mit ihm sich auf dem Boot, und der Seewind versprühte seine salzige Gischt.
    Und da sie dem Schiffe zuruderten, das auf offener See vor Anker lag, erhoben die Muezzins von den Minaretten der Moscheen Jaffas ihre Stimmen und ließen mit ihrem tremolierenden Gebetsruf den Hafen erzittern von einem Ende zum anderen.
    Noch ehe der letzte Ton verklungen, war das Boot des Wilden Ochs am Horizont des felsigen Meeres verschwunden.

Epilog
    Isaak Luminsky verließ Jaffa, um in den Norden des
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