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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis
Autoren: Alon Hilu
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seine Taschen und Falten, die hinab mich ziehen, tiefer und tiefer, unter die Oberfläche, und die blauen Wellen wiegen lustvoll mich, tasten mit feuchter Zunge nach der meinen, dringen mit ihrer Süße ein, in meinen Mund, meine Kehle und Lungen, und ich freue an dem übermütigen Fluss mich und rufe ihm zu, er möge meine Seele nehmen, denn der Tod ist besser als mein Leben, und ich drücke die Blumen an meine Brust, meine Brüste, und schreie mit einem Mund, der nun mit Wasser gefüllt, mit süßem Ersticken und schwarzer, finsterer Leere, schwarzhaarig treibe ich auf dem Tigris, meine Augen weit aufgerissen, aber entseelt, und meine gepflückten Blumen sind in unzählige Wassertropfen nun gehüllt, noch leben, noch leuchten sie hell, doch wenn vom Fluss sie hinweggetragen, von Welle zu Welle und von Ufer zu Ufer sie gespült werden, reißen ab ihre Blütenblätter, und ihre Stängel faulen, und nur das Lied, das vor meinem Tode ich angestimmt, nur dieses allein wird noch aus dem Munde einsamer Hirten, Nomaden und Müßiggänger erklingen.

Einige Stunden später, auf dem Gute der Rajanis
    Ein Karawane von Arabern brachte den Leichnam zu dem Gut und bahrte im unteren Stockwerk ihn auf, an ebendem Orte, an dem vor wenigen Monaten nur die Leiche seines Vaters gelegen hatte. Der Sitte der Muselmanen gemäß darf der Leichnam eines Verstorbenen nicht über Nacht beherbergt werden, weshalb Salach noch an diesem Abend ohne Aufschub wird begraben werden.
    Seine Mutter kam nicht, ihn zu begrüßen, sondern wanderte Absonderliches vor sich hin murmelnd über die Pfade des Gutes. Sogar die greise Dienerin zeigte sich nicht, an seinem Leichnam zu klagen und zu wimmern. Offenbar ist am Ende ihrer Kräfte sie.
    Die Araber, die den Leichnam des Jungen getragen, bedachten mit einem Blick mich, in dem Furcht mit starkem Hass sich mischte.
    Ich sagte ihnen: «Lasst mich allein in das Zimmer des Toten treten.»
    Sie taten, wie befohlen.
    Mit klopfendem Herzen schloss die Tür ich hinter mir.
    Auf einer hölzernen Pritsche, die an einen Altar gemahnte, lag sein Leichnam, verhüllt von einer grauen Decke.
    Ich schlug am Saum diese ein wenig zurück.
    Bis zum heutigen Tage war noch niemals einem Toten ich so nahe gewesen, und erst recht nicht einem Menschen, der mir so teuer und lieb gewesen wie dieser Junge. Seine Lippen waren bleich, seine Wangen aufgedunsen von dem Wasser, doch zu meinem Entsetzen standen seine glasigen, toten Augen noch weit geöffnet. Es schien, dass die arabischen Hirten noch nicht einmal mit dieser elementarsten Anstandsregel vertraut waren, welchedas Schließen der Augen vorschreibt. Also schloss ich seine Lider, brachte es aber nicht über mich, in die Tiefe seiner Pupillen zu schauen, da ich fürchtete, ein glühender, herzzerreißender Blick, den bis ans Ende meiner Tage ich nicht könnt vergessen, würde mich aus diesen treffen.
    Nun herrscht großer Aufruhr im Haus in Erwartung des Trauermarsches, der schon bald sich in Bewegung wird setzen. Ein trauriges, spärlich besuchtes Begräbnis wird dies sein, ohne Pachtbauern und ohne Würdenträger. Afifa und die Dienerin werden nicht zugegen sein. Nur eine Handvoll der Hirten, die ihn gefunden, werden die Bahre nehmen und sie den langen Weg bis zum Friedhof tragen, zu seiner letzten Ruhestätte, wo er den Frieden finden möge, den während seiner kurzen Lebensfrist er niemals gefunden.

    Vaters Stute wiehert freudig, als ich mich ihr nähere, mich auf ihren Rücken schwinge und sie im Galopp zu den Sanddünen treibe, denn ein Tag großer Taten und Wunder ist dies, der Tag, an dem die Verächtlichen ihre Strafe wird ereilen, und wir stürmen durch den Wüstenwind und atmen den guten, heilenden Staub, jeder Atemzug flößt uns beiden Mut ein, zu tun, was getan werden muss, und die Stute nickt und entblößt lächelnd ihre vielen Zähne, denn so wird es sein, da die List, die ich ersonnen, eine gute ist, und zur Mittagsstunde, als die Sonne rund und brennend am Wüstenhimmel steht und alle Angehörigen des Stammes sich in ihren Zelten verkrochen haben und zu einem erhitzten Schlaf hingestreckt liegen, halte hoch zu Ross ich neben einer Dattelpalme und rufe aus: «Oh, ihr Stammessöhne, möge Omar verflucht sein!» Aber niemand scheint beunruhigt durch diese Verwünschung, außer zwei schwarzäugigen,triefnasigen Kindern, die ihr Spiel einstellen, also rufe ich abermals, lauter diesmal: «Oh, ihr Stammessöhne, möge Omar verflucht sein, der meinen Vater ermordet
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