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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis
Autoren: Alon Hilu
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Spätsommer / Herbst, 1895
Am 18. Tag des Monats Av im Jahre 5655 – 8. August 1895 – an Bord des Schiffes nach Jaffa
    Ich habe beschlossen, meine Worte diesem Tagebuch anheimzulegen, da ich anderenfalls den Verstand zu verlieren drohte. Unsere kleine und beengte Kabine in der Tiefe des Schiffes kerkert meine Gedanken ein. Sollte ich sie nicht irgendjemandem anvertrauen können, tät ich besser daran, gleich in die Fluten zu springen.
    Die Wurzel all meiner Leiden und Qualen ist die gnädige Frau. Auf den biblischen Namen Esther hört sie und könnt fürwahr eine Königin sein. Schöner als alle Schönheit ist sie, rank und schlank und von sehr stattlichem Wuchs, mit hohen Wangenknochen. Wär ich König Ahasver, würde gewiss mein halbes Königreich für einen flüchtigen Blick aus diesen hellen Augen ich geben, smaragdblauer noch als die See.
    Als sie zum ersten Mal mir zu Gehör kam, war sie Studentin der Zahnheilkunde in Warschau. Ich ging, ihr meine Aufwartung zu machen und ihrer ansichtig zu werden, und sogleich ward mein Herz von der Nadel der Liebe durchstochen. Dieses Mädchen würde für immer meine Angebetete sein, meine geliebte Gemahlin auf ewig. Eine aus dem Chor von Gottes Engeln ist sie, der Wohlklang ihrer Stimme wie Tautropfen auf duftenden Blumenrabatten, ihre Kleider aus Musselin und feinstem Batist gemacht, ihr Haar glänzend und gülden. Ein Mann, der ihrem Liebreiz nicht erläge, wäre fürwahr nicht würdig, sich ein Mann zu nennen.
    Flugs hielt ich um sie an, sie willigte ein, und mit dem Einverständnis ihrer Eltern traten wir in den Bund der Ehe. Ich war außer mir vor Freude. Doch es verstrichen nur wenige Stunden, da wir unter dem Traubaldachin gestanden, und schon offenbart sich ein erstes Anzeichen von der wahren Natur der gnädigen Frau. Wir stehen im Vermählungsgemach, ich löse meine Weste und lege meinen Hut auf die Anrichte, doch die gnädige Frau verharrt in ihrem weißen Brautkleide.
    «Komm, ein Mann erfreue sich an seiner Frau», sagte ich ihr.
    «Die Stunde ist nicht die rechte», sagte sie.
    «Fühlst du gar nichts?», fragte ich.
    «Ich wünsche ein wenig zu ruhen», erwiderte sie.
    Und hatte ihre Rede noch nicht beendet, da begann sie, ohne das Verlöschen der Öllampe abzuwarten, sich ihrer Kleider zu entledigen, erst der Ober-, dann der Unterwäsche, bis sie nur mit ihrer Unschuld bekleidet durch die Kammer schritt, ihre elfenbeinfarbenen, von rosigen Warzen gekrönten Brüste meine schmachtenden Augen verhöhnend. Die gnädige Frau schlüpfte ins Bett, wandte mir ihre Rückansicht zu und war sogleich eingeschlafen.
    Des Morgens umgarnte ich sie mit Worten der Verführung und der Liebe, doch auch diesmal stand ihr der Sinn nicht nach dem bestimmten Lied ohne Worte. Gewiss, sie war weder müde noch erschöpft, die wahren Gründe waren viel mehr psychotischer Art: Sie befand sich, nach eigenen Worten, in diesem Zustand angstvoller Verzagtheit einer frisch vermählten Ehefrau vor dem Akte der Umwälzung und Veränderung, vom ungezügelten, ungestümen Leben einer Jungfer zum Geschirr in dem vom Gatten gelenkten Ehegespann.
    Um sie nicht in Traurigkeit zu stürzen oder, Gott bewahre, in die berühmte Melancholie jener, die sich unter das Joch der Ehefügen, zügelte ich meine Begierde und ließ ab von ihr. Im Stillen sagte ich mir, ich werde zuwarten, wann bei dieser gnädigen Frau der Liebestrieb erwacht und sie in mein Bett zu kommen gedenkt, mit geröteten Wangen, verzückten Nippeln, das ganze Dämchen saftig und süß.
    Zu meinem Leidwesen blieb die gnädige Frau auch in den folgenden Nächten bei ihrem Gebaren. Am nächsten Abend, ehe wir zu Bette gingen, legte sie all ihre Kleider ab und stolzierte umher wie eine Herrin unter ihren Eunuchen, ihre Rundungen alabastern und üppig, ihre Brüste zum Bersten gefüllte Granatäpfel, doch auf mein Bekunden, ich gedächte nun der angenehmen Pflicht des Ehemannes nachzukommen, beschied sie mich mit allen möglichen Ausflüchten und Litaneien.
    Bei mir begann ich Gedanken zu wälzen: Vielleicht hatte die gnädige Frau ihre Jungfernschaft ja in einem Aufwallen jugendlicher Frivolität einem anderen geschenkt und schämte sich nur ihrer Verfehlung, war womöglich den Verführungskünsten eines ihrer Kommilitonen am Institut für Zahnheilkunde erlegen. Denn diese Dentisten müssen triebhaft sein, warum sonst sollten sie Vergnügen daran finden, das Fleisch ihresgleichen zu stoßen und zu stampfen?
    Drei Tage nach unserer
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